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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Zukunft hin und her: Carlos’ aufregendes Leben als Rockstar und Victors elende Existenz als Ausgestoßener. Ich war immer Carlos; er war die beste Figur, weil er der Gutaussehende war, den alle mochten. Ich konnte nicht verstehen, dass Peter offenbar gerne Victor spielte.
    »Mal sehen: Was ist beim letzten Mal passiert? Hat da Carlos’ Cousin Tracy versucht, ins Haus einzubrechen und Margaux umzubringen? Ach ja, da hat Peter ihr doch ins Bein schießen müssen. Dann kamen alle ins Krankenhaus. Also, wir sind im Krankenhaus …«
    »Liebling, versteh mich bitte nicht falsch, aber könnten wir auch mal über was anderes reden als über ›Die Geschichte‹? Ich meine, wir reden jeden Tag von nichts anderem.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah Peter böse an. Nach allem, was ich für ihn getan hatte! Und er schliff nicht nur weiter, sondern sagte sogar: »Du willst über nichts anderes reden. Stundenlang. Für mich ist das manchmal ein bisschen ermüdend; ich bin nicht in deinem Alter. Ich meine, ich mag ›Die Geschichte‹ schon; es kommt mir nur manchmal so vor, als würden wir über nichts anderes mehr reden.«
    »Was gibt’s denn sonst noch? Sonst haben wir doch nichts!«
    »Na, eben gerade haben wir über Cathy und Paul und ihre Liebe gesprochen. Dass es ähnlich ist wie bei uns. Das war interessant.«
    »Tja, damit bin ich aber fertig!«
    »Vielleicht verstehst du mich nicht richtig. Für mich wird ›Die Geschichte‹ manchmal ziemlich langweilig …«
    »Dann unterhalten wir uns besser gar nicht! Schleif doch einfach weiter!«
    »Das wäre schön. Wir könnten nachdenken. Zusammen die Ruhe genießen.«
    Ich wandte mich mit verschränkten Armen von Peter ab. Dem würde ich es schon zeigen; später würde ich ihm vorenthalten, was er von mir wollte.
    »Ich glaube nicht, dass du zehn Minuten lang den Mund halten kannst.«
    »Wenn ich sowieso zu nichts gut bin, kann ich mich ja auch gleich umbringen!«
    »Siehst du, habe ich doch gesagt: Du schaffst keine zehn Minuten!«
    »Dir geht es nur um dein dämliches Schleifen!«, schrie ich. »Und dieses dämliche Streichen! An was anderes kannst du nicht denken!«
    »Mein Liebes, es tut mir leid.« Er hielt inne. »Wir können ja über ›Die Geschichte‹ sprechen.«
    »Nein, jetzt will ich nicht mehr!« Ich trat gegen die Wand.
    »Na gut, dann später?«
    »Nein!«
    »Bitte!«
    »Nein! Die Antwort ist nein, nein, nein!«
    ***
    Als Peter die Wohnung im Erdgeschoss renoviert hatte, zog im Frühling eine Familie mit drei Kindern und dem Neffen des Mannes ein. Wir waren fast nur noch draußen, im Garten oder auf dem Motorrad, gingen mit Paws spazieren, fuhren Rollschuh oder aßen zu Mittag bei Woolworth. Manchmal wagten wir uns bis zur River Road vor, wo wir mit dem Motorrad zu einer kleinen Hot-Dog-Bude und dann über eine schmale, schlecht geteerte Landstraße fuhren, vorbei an steinübersäten Hügeln und rauschenden Wasserfällen. Hinten auf dem Motorrad fühlte ich mich losgelöst von der Zeit und sang Papa Don’t Preach , Burning Up und Rescue Me , meine drei Lieblingslieder von Madonna.
    Zum dreizehnten Geburtstag kaufte mir Peter auf einem Flohmarkt schwarze Leggins, die wir immer meine »Madonna-Hose« nannten, und ein blau-weißes Matrosenkleid, das eigentlich für ein jüngeres, kleineres Mädchen gedacht war. Es war zu eng und zu kurz, aber da ich mich gerne sexy anzog, so wie Madonna, störte mich das nicht. Peter machte Fotos von mir, wie ich im Matrosenkleid auf dem Motorrad saß, die Hände um den Lenker, die Rollschuhe auf den Pedalen abgestellt; wie ich mit den Rollschuhen ausgestreckt in der Hängematte lag, mit offenem gekräuseltem Haar auf den Verandastufen saß, das alberne Matrosenkleid mit der albernen dicken, weißen Schärpe um den Bauch trug, dazu lange weiße Kniestrümpfe, die langen roten Schnürsenkel der Rollschuhe offen. Peter kaufte eigens für diese Posen ein kleines Album, das er »Rollschuhmädchen« nannte, und obwohl ich nichts sagte, regte ich mich darüber auf, dass er nicht auf die Idee kam, die vergrößerten Fotos von mir als Achtjähriger durch die neuen zu ersetzen oder das Bild von Jill zu entfernen, um stattdessen ein Rollschuhbild von mir aufzuhängen.
    Vielleicht hängte er auch kein Rollschuhbild von mir auf, weil es so sexy war, dass es meine Mutter oder Inès alarmiert hätte. Bisher schien niemand von den Bildern in seinem Zimmer Notiz zu nehmen, da sie so natürlich waren. Peter hatte sogar zu

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