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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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kam ich in die siebte Klasse der Washington School. Ich stellte fest, dass mir meine Freundinnen furchtbar fehlten, und ohne sie kehrte meine Schüchternheit zurück, schlimmer als je zuvor. Außerdem geschah in jenem Sommer noch etwas anderes mit mir. Ich litt unter Stimmungsschwankungen, die von Euphorie bis zur Mutlosigkeit reichten. Meine Launen richteten sich im Großen und Ganzen danach, ob Peter und ich uns stritten oder vertrugen, doch ich wurde auch traurig, wenn ich an meine nicht mehr existierende Clique dachte. Obwohl ich immer noch mit Winnie und gelegentlich mit Grace oder Irene telefonierte, hatte ich das Gefühl, es gäbe immer weniger zu erzählen. Wie geplant, berichtete ich Winnie, Ricky hätte es mir mit der Zunge gemacht und ich ihm. Immer wieder wollte sie wissen, wie Sperma denn nun schmecke. Ich sagte, es sei wie Wassereis. In Wirklichkeit hatte Peter, als wir allein in seinem Zimmer waren, mich gebeten, ihm etwas für sein Geschenk zurückzugeben. Er bat mich, sein Sperma zu schlucken, und ich dachte, ich müsste ihm beweisen, dass ich keine Angst davor hätte. Irgendwie wurde es im Nachhinein dadurch besser, dass ich Winnie erzählte, ich hätte es mit einem Jungen in meinem Alter gemacht.
    ***
    Schnell wurde ich zu einer Art Rätsel an der Washington School. Ich sprach nur selten, und wenn, war ich sehr zurückhaltend, dennoch war ich geschminkt und trug aufreizende Kleidung. Mein Klassenlehrer verstärkte meine geheimnisvolle Aura, indem er mich regelmäßig zum Vertrauenslehrer Mr. Trunelli schickte, weil ich »unsozial« sei. Doch der konnte kein Problem bei mir entdecken, denn bei ihm war ich immer forsch, redselig und witzig. Wenn ich nach diesen Ausflügen ins Klassenzimmer zurückkehrte und mich wieder setzte, flüsterten die Mädchen miteinander, warum ich erneut zu Mr. Trunelli geschickt worden war.
    In jenem Winter fielen Justine, einer wunderschönen Philippinin mit langem, dobermannschwarzem Haar, die zweimal nicht versetzt worden war, die baumelnden tränenförmigen Glitzersteine an meiner Jeans auf. Diese sah genauso aus wie eine Jeans, die sie besaß. »Du machst mir alles nach«, sagte sie beim Turnunterricht, bei dem ich nicht mitmachen konnte, weil ich meine Tage hatte, meine zweite Menstruation in diesem Monat, doch mein Sportlehrer hatte nicht genug Grips, mich darauf anzusprechen. Offensichtlich kannte Justine dieselben Tricks. Sie saß neben mir und machte sich nicht die Mühe, ihr weißes Babydollkleid herunterzuziehen, das ihr fast bis zur Leiste hochgerutscht war. Dass so ein bezauberndes, kultiviertes Mädchen mit einem Nichts wie mir sprach, war etwas vollkommen Neues, und weil ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte, las ich einfach weiter.
    »Das habe ich auch zu Hause«, sagte sie und tippte auf den eselsohrigen Umschlag meines Taschenbuchs.
    Ich zuckte mit den Schultern, ohne die Augen von Blumen der Nacht abzuwenden. Die böse Großmutter wollte Cathy gerade schlagen.
    »Du machst mir alles nach«, wiederholte Justine und fuhr mit ihrer weißen Acrylfingerspitze über meinen Arm.
    Ich sah ihr in die Augen. »Vielleicht liegt’s daran, dass du das einzige Mädchen bist, bei dem sich das lohnt.«
    Justine schrieb ihre Telefonnummer mit kühnen runden Ziffern auf einen rosa Notizzettel und wies mich an, am Abend anzurufen, doch in Peters Gegenwart wollte ich das nicht tun. Als ich wieder zu Hause war, verließ mich der Mut. Schließlich war Justine das beliebteste Mädchen in der siebten Klasse. Irgendwie ließ Poppas Existenz, selbst wenn er gar nicht im Haus war, mein Selbstvertrauen verschwinden.
    ***
    In den Büchern von V. C. Andrews verliebten sich Brüder immer in ihre Schwester, und ältere Männer beteten junge Mädchen an. Alles war verboten, heimlich und herrlich romantisch. Es gab eine wunderschöne junge Ballerina namens Cathy, in die drei Männer gleichzeitig verliebt waren: Der eine war ebenfalls Tänzer, der zweite ihr eigener Bruder und der dritte ein reicher Arzt, Paul, der schon vierzig Jahre alt war. Cathy war erst sechzehn, als sie zum ersten Mal mit Paul schlief. Paul versuchte, Cathys berückender Ausstrahlung zu widerstehen, doch er war auch nur ein Mann und konnte seine Gefühle nicht beherrschen, und so verfiel er ihr schließlich. Verfallen, bestricken, verführen, betören, hinreißen, entzücken – welch herrliche Wörter! Ich bewunderte sie, und ich bewunderte Cathy. Zum einen, und das war das Wichtigste, war Cathy schön.

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