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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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weißen Körnchen ab.
    »Er hat Angst vor ihr«, sagte meine Mutter und rang die Hände wie ein aufgeregtes kleines Mädchen. »Ihre Tobsuchtsanfälle beeindrucken ihn mächtig. Wenn er seine Tochter sieht, ist es, als würde er sich selbst ansehen.«
    Peter runzelte die Stirn. »Das ist nicht gut. Zwei Menschen mit so viel Wut im selben Haus … Sandy, es wird Zeit. Du solltest dich wirklich so schnell wie möglich von ihm scheiden lassen. Um das Sorgerecht musst du dir jetzt keine Sorgen mehr machen. Margaux ist alt genug, um vor Gericht auszusagen, dass er euch beide seit Jahren misshandelt.«
    »Ich denke darüber nach«, sagte meine Mutter und nickte. »Da sie ja jetzt aussagen kann.«
    »Wenn es so weit kommt, könnt ihr eine Zeitlang bei mir wohnen. Inès hätte nichts dagegen. Wir haben zwar nicht viel Platz, aber ihr seid immer willkommen.«
    »Vielleicht kannst du den Mietern unten kündigen, dann können wir die Wohnung nehmen!« ›Dann könnten wir alle wie eine große Familie zusammenleben‹, dachte ich.
    »Weißt du was, Peter?«, sagte meine Mutter. »Er hat mir immer das Gehirn gewaschen. Er ist wie ein böser Zauberer. Je öfter man in seiner Nähe ist, desto mehr hat man das Gefühl, in seinem Bann zu stehen, als wäre man mit dem Kopf unter Wasser. Man kann nicht richtig denken. Aber jetzt, nachdem ich heute mit dir geredet habe, fühle ich mich stärker.«
    ***
    In den folgenden Wochen spürte ich, dass tatsächlich etwas geschehen würde. Ich wusste, dass Poppa es auch merkte, als er mich eines Abends um zehn Uhr am Arm packte. Ich kam gerade aus dem Bad; ich hatte geduscht und mein rosa Nachthemd mit der Teddyfamilie darauf angezogen. Mein Haar war feucht und klebte an meinen Schultern. Als Poppa nach mir griff, entlud sich bei der Berührung eine elektrische Spannung, und ich zuckte zusammen. Ich hatte gedacht, er würde wie immer ins Bad wollen, um den Boden hinter mir aufzuwischen, obwohl ich selbst schon saubergemacht hatte.
    »Hör mal zu«, murmelte er und wich meinem Blick aus. »Deine Mutter wird wieder krank.«
    Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten. Wenn er sie ins Krankenhaus steckte, würde ich Peter wohl wochenlang, eventuell sogar einen Monat lang nicht sehen. Allein und ohne Ablenkung würde ich von Depressionen überwältigt werden. »Das glaube ich nicht. Mir kommt sie ganz normal vor.«
    »Sie ist überdreht. Das ist das erste Zeichen.«
    »Ihr geht’s gut. Sie ist nicht überdrehter als sonst.«
    Poppa verschränkte die Arme vor der Brust. »Du weißt es genau, aber du schützt sie.«
    »Nein, tu ich nicht. Sie kommt mir einfach nicht überdreht vor.«
    »Ich brauche jetzt deine Unterstützung. Du bist ihre Tochter. Du musst mir helfen, sie zu überzeugen, dass sie eingewiesen werden muss. Sonst passiert etwas Entsetzliches. Ich kann es spüren. Ich habe den sechsten Sinn.« Er führte mich an den Küchentisch, wir setzten uns. »Sag mir: Ist dir irgendwas an ihr aufgefallen? Ihr seid nie hier, deshalb muss ich es von dir wissen. Erzähl! Wie geht es ihr?«
    »Gut, glaube ich. Sie ist glücklich, weil sie beim letzten Wiegen gesehen hat, dass sie abgenommen hat. Das hat sie mir erzählt.«
    Poppa schüttelte den Kopf. »Abgenommen? Weil sie nichts isst, mit Sicherheit. Gibt sie ihr ganzes Geld für dich aus? Verlangst du Sachen von ihr? Verlangst du von ihr, dass sie ihre gesamte Beihilfe für dich ausgibt? Ich freue mich, dass du zugenommen hast, aber hoffentlich nicht auf ihre Kosten. Nicht indem du Eis und Fastfood gegessen hast. Sie würde dir alles geben, was du willst; das weiß ich. Du bist so schwierig, du bist so ein schwieriger Mensch, dass dir letztlich jeder nachgibt. Du tyrannisierst deine eigenen Eltern …«
    Ich stand auf, hatte das Gefühl, die ständigen Beschimpfungen nicht mehr ertragen zu können. Er hatte nie etwas Nettes über mich zu sagen, nie. »Ich muss morgen früh in die Schule.«
    Er hielt mich am Arm fest. »Warte!« Poppa tippte mich an, und ich ließ mich wieder auf den Stuhl sinken. Er legte die Hände auf den Kopf und seufzte. »Ich stehe unter enormem Druck. Riesengroßer Druck durch diese Frau, die immer wieder krank wird.«
    »Also, ich habe jedenfalls nicht gesehen, dass sie sich ihre alten Platten anhört oder unter die Decke starrt. Sie telefoniert auch nicht mehr als sonst.«
    »Doch, sie ruft Leute an. Letztens habe ich gehört, wie sie jemanden angerufen und über mich geredet hat … Mein Mann dies, mein Mann das. Was die

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