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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Mommy und mir gesagt, weil Poppa zu Hause zwar Kunstwerke als auch Fotos von berühmten Pferden aufhängte, jedoch keine Bilder von mir, sei das noch mehr Beweis dafür, dass ich ihm egal sei. Mommy stimmte ihm von ganzem Herzen zu, und nach und nach verstand auch ich das als Beweis dafür, dass Poppa mich nicht liebte. »Dass du einfach nur seine Tochter bist, reicht Louie nicht«, predigte Peter, und Mommy sagte: »Ja, er ist ganz besessen von seinem Ansehen.« Poppa besaß jedoch ein gerahmtes Bild, das ich sehr gerne betrachtete, es zeigte die Cousine seines Vaters, eine bekannte Dichterin aus Puerto Rico, die verrückt geworden war und schließlich als mittellose Alkoholikerin in Harlem starb. Ich wusste, dass er ihre Begabung trotz ihres tragischen Lebens bewunderte und er sich deshalb entschieden hatte, ihr Bild aufzuhängen.

17
    »Rescue Me« – Rettet mich
    Bei El Pollo Supremo versuchte ich, meine Mutter zu überreden, dass sie mich allein zu Peter gehen ließ. Ich wartete, bis Mommy ihr Brathähnchen mit den Tostones gegessen hatte und zu ihrer Leibspeise kam: dem Maiskolben. Es gab nichts, was meine Mutter lieber mochte als die süßen buttrigen Körner. Von unserer orangegelben Sitzecke aus sah ich zu, wie ein tauber Mann Schlüsselketten verkaufte. Uns gegenüber bot eine ältere Latino-Frau mit Kopftuch Rosenkränze an. El Pollo Supremo zog eine große Zahl Hausierer an, deren Leben mir ideal erschien, weil sie an keinen Ort und an keine Situation gebunden waren. In meiner Vorstellung konnten Hausierer, genau wie Rockstars, überall hingehen und ihr Geld verdienen.
    »Mommy, du musst mir meine Freiheit lassen. Wenn man etwas liebt, soll man es loslassen«, sagte ich. Peter hatte mich instruiert, was ich sagen sollte. »Ich bin jetzt dreizehn. Soll ich nicht langsam mal auch was alleine unternehmen?«
    Mommy seufzte; sie war dieses Themas so überdrüssig. »Margaux, der Hauptgrund, warum ich nicht möchte, dass du allein über die Straße gehst, ist, dass du nicht aufpasst. Selbst deine Lehrerin sagt, du hättest immer den Kopf in den Wolken. Du bekommst ordentliche Noten und so weiter, aber es ist, als würdest du im Traumland leben.«
    »Das hat sie gesagt: Traumland?«
    »Traumland oder Traumwelt, eins von beiden, ich weiß es nicht mehr. Ich hätte genau aufschreiben sollen, was sie gesagt hat.«
    »Hm, die Lehrerin ist eh langweilig«, sagte ich. Ich dachte eine Woche zurück, als Justine und ihre Freundin Jocelyn mich im Flur zur Rede gestellt hatten. In der Geschichtsstunde hatte Jocelyn gesehen, dass ich einen Liebesbrief an Peter schrieb. Sie hatte es Justine erzählt, und im Flur fragte mich Justine dann frei heraus, ob ich noch Jungfrau sei. Ich war so sauer geworden, dass ich vor Wut zitterte, und war weitergegangen, ohne ihre Frage zu beantworten. »Sie ist ein Loser«, sang Justine laut und stampfte nachdrücklich mit ihren Wildlederstiefeln auf.
    »Ich glaube, Margaux’ Vater ist der Grund, weshalb sie sich nicht konzentrieren kann«, sagte Peter. »Hast du mir nicht erzählt, dass er ihr furchtbar zugesetzt hat, als sie ihn um Geld für neue Kleidung gebeten hat?«
    »Ganz schlimm«, sagte meine Mutter. »Margaux braucht mindestens zweihundertundfünfzig im Jahr, und da ist der Wintermantel noch nicht dabei.«
    »Lass mich das erzählen!«, unterbrach ich sie, hob die Hand und sah Peter in die Augen. »Sagen wir, ich brauche zweihundertfünfzig, wie Mommy sagt. Dann muss ich ihn um dreihundertfünfzig bitten, damit ich mich auf das runterhandeln lassen kann, was ich tatsächlich brauche. Dafür muss ich aber drei Stunden lang mit ihm diskutieren!«
    »Sie hat recht«, sagte meine Mutter. »Und dabei weißt du, dass er für uns beide Geld vom Staat bekommt. Schecks vom Staat . Er ist immer schick angezogen, während ich in Lumpen herumlaufe. Und Margaux muss wie ein Gassenkind um Geld betteln, das eigentlich für sie gedacht ist.«
    »Er macht sich nichts aus uns.« Ich war damit beschäftigt, einen kleinen Hügel aus Salz auf meine Serviette zu häufen. »Früher dachte ich immer, wir wären ihm wichtig, aber das ist lange her. Dann kamen diese Geschichten, beispielsweise als er meiner Mutter die Stirn aufkratzte. Das war wie in einem Horrorfilm, er hat einfach …«
    »Mit ihm zu leben ist ein Horrorfilm«, sagte Mommy.
    »Nein, mit ihm zu leben ist ein Horrorprogramm «, verbesserte ich sie. »Bloß ohne Werbepausen.« Ich steckte meinen Strohhalm in den Salzhügel und leckte die

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