Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
Vom Netzwerk:
Danke.
    Im Bad schaue ich in den Spiegel. Hinten an den Fäden ist alles knallrot, Blut sickert aus einer der Wunden. Ich stecke mir Klopapier in den Mund und beiße fest drauf.
    Danke, sage ich noch mal.
    Ich werde gleich verlegt, sagt das verbrannte Mädchen, als würde mich das irgendwas angehen.
    Schön, sage ich und krame mein Handy aus der Schublade. Ich gehe raus auf den Flur, aber weil ich mal wieder kein Guthaben habe, laufe ich runter zur Information.
    Ich muss mal dringend telefonieren, sage ich und lege der Schwester den Zettel mit Amirs Nummer auf den Tisch, den, den Nico mir heute Morgen noch gegeben hat.
    Sie wählt die Nummer und reicht mir den Hörer, es klingelt ein paarmal, bis sich am anderen Ende ein Beamter meldet.
    Ich möchte mit Amir sprechen, sage ich, Amir Begović.
    Geht nicht, sagt der Beamte, Telefonate können die Häftlinge nur von sechs bis acht annehmen.
    Als ich in mein Zimmer zurückkomme, ist das verbrannte Mädchen weg. Mein Mund schmeckt immer noch nach Blut, also laufe ich schnell ins Bad und spüle ihn aus. Blut und Müslikrümel laufen in den Abfluss, alles schmerzt, wie mit Zitrone gegurgelt. Ich mache den Mund, so gut es geht, auf, und da sehe ich, an beiden Stellen unten sind die Fäden aufgerissen. Ich setze mich aufs Klo, ich mache die Augen zu, ich versuche Scherz anstatt Schmerz zu denken, das hilft, das haben Jameelah und ich uns ausgedacht, aber diesmal hilft es nicht, also zerfriemle ich Klopapier und versuche, auf der Klobrille sitzend, den Schmerz zu ertragen, da klopft es an der Tür.
    Wo bist du, höre ich Jameelah rufen, ich muss dir was erzählen, ich muss dir so was von unbedingt was erzählen!
    Als ich zurück ins Zimmer komme, sehe ich Jameelah auf meinem Bett rumspringen. Ihre Haare sind über den Sommer gewachsen, reichen ihr bis über die Ohren, fast schon zum Kinn runter, wie sie lacht und die Haare fliegen, während sie hüpft, sieht schön aus.
    Ich muss dir was erzählen, ruft sie, ich muss dir so was von unbedingt was erzählen!
    Was denn, sage ich.
    Fängt mit L an und hört mit S auf!
    Erzähl!
    Rate mal, sagt Jameelah, lässt sich aus dem Flug im Schneidersitz aufs Bettende plumpsen und schaut mich erwartungsvoll an.
    Jetzt sag schon, du Doof.
    O.   k., worüber haben wir am Anfang der Sommerferien geredet? Auf dem Mädchenklo? Was wir diese Ferien machen wollen?
    Du hast mit Lukas gepennt!
    Bongo, ruft Jameelah und hüpft weiter herum, bongo, bongo!
    Krosser Zufall, sage ich.
    Wieso?
    Na, wieso wohl.
    Was, du auch, sagt Jameelah, Quatsch!
    Doch, sage ich, und wie zum Beweis zerre ich das blutige Bettlaken aus dem Schrank hervor. Jameelah schlägt die Hände vors Gesicht.
    Hier im Krankenhaus? Ist das kross!
    Ich grinse.
    Hast du auch so schlimm geblutet, frage ich.
    Überhaupt nicht, sagt Jameelah.
    Seid ihr jetzt ein echtes Paar, du und Lukas?
    Keine Ahnung, vielleicht. Du und Nico?
    Keine Ahnung, sage ich, und wenn schon, was bedeutet das heutzutage schon.
    Du redest wie eine Oma. Wie so eine Vierzigjährige, sagt Jameelah.
    Nein, ehrlich. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob ich richtig mit ihm zusammen sein will.
    Jetzt mach dir nicht so viele Gedanken, sagt Jameelah, jedenfalls Wahnsinn, oder? Dann sind wir ja so was wie kosmische Jungfrauen beziehungsweise das Gegenteil, kosmische Entjungfrauen, oder wie soll man so was nennen?
    Endjungfrauen, so wie Ende?
    Nee, Entjungfrauen, so wie Ente, sagt Jameelah, ich meine so wie entjungfern, keine Ahnung, jedenfalls müssen wir uns ein Wort ausdenken, eins für Freundinnen, die am selben Tag entjungfert wurden.
    Ja, sage ich, klar.
    Jameelah hört auf zu hüpfen, sie lässt sich aus dem Flug heraus aufs Bett plumpsen und schaut mich besorgt an.
    Was hast du, fragt sie.
    Nichts, sage ich.
    Klar hast du was.
    Ich tupfe mir mit Klopapier am Mund herum.
    Nichts. Mein Mund tut nur weh. Ich glaube, du hattest recht.
    Sind die Fäden gerissen?
    Keine Ahnung, jedenfalls blutet es, aber keine Sorge, da kommt nachher wer und schaut sich das an. Hast du noch was von Amir gehört, frage ich.
    Nee, sagt Jameelah.
    Ich habe bei ihm angerufen, sage ich.
    Echt? Wusste gar nicht, dass man ihn anrufen kann.
    Ich auch nicht, hat Nico mir gesagt.
    Und?
    War nicht da, der darf nur zu bestimmten Zeiten telefonieren.
    Aha.
    Ich schaue aus dem Fenster.
    Was, sagt Jameelah.
    Sollen wir nicht doch zu den Bullen gehen, sage ich.
    Fängst du schon wieder damit an?
    Was ist, wenns rauskommt, frage ich, was, wenn uns

Weitere Kostenlose Bücher