Tijuana Blues
verwickelt gewesen. Alan Brod, ein bekannter Mafioso aus Los Angeles, Dave Tercerero, ein pusher, der auf mexikanischem Territorium arbeitete, und Timothy Keller, ein unbeschriebenes Blatt im Drogenhandel. Die amerikanische Presse hielt ihn für einen Touristen oder einen Heroinsüchtigen, der sich nur seine Tagesdosis beschaffen wollte und zufällig in den Schusswechsel geriet. Die Presse von San Diego hat Keller praktisch entlastet.«
Leobardo zeigte Morgado den Zeitungsausschnitt, aus dem er die Information hatte, und der las ihn von Anfang bis Ende durch.
»Ich sehe schon. Die Gringos sind eng zusammengerückt, ihr einziges Interesse bestand darin, ihre Bürger zu schützen. Die Ehre stand auf dem Spiel.«
»Schauen Sie sich den an«, forderte Leobardo ihn auf. »Dort werden Sie eine Information finden, die sonst nirgendwo erwähnt ist: Am Ort der Schießerei hat die Polizei eine Puppe gefunden. All das geschah in einer wenig bekannten Kneipe: El Tecolote. Man muss hinzufugen, dass sie von Gringos eigentlich nicht oft besucht wurde. Es gingen dort eher verzweifelte Arbeiter und Tagelöhner hin, die auf ihren Zutritt ins Paradies auf der anderen Seite warteten.«
»Existiert sie noch?«
»Nein. Ich habe sie schon nicht mehr kennen gelernt, und ich lebe von klein auf in Tijuana. Sagt Ihnen das mit der Puppe etwas?«
»Timothy hatte sie bei sich. Zwei Panamesen mit Verbrechergesichtern, die er aus der Hauptstadt kannte, hatten ihn gebeten, sie für die Tochter von einem von ihnen mitzunehmen, die hier in Tijuana lebte. Eine unglaubliche Geschichte, nicht wahr?«
»Hat er sie mitgenommen?«
»Ja. In seinem Koffer, vermute ich.«
Leobardo nickte, er schmunzelte. »Wie Fernando Jordán«, sagte er.
»Der von El otro México? « , fragte Morgado.
»Ja. Juan Rulfo sagte einmal, wo immer er hinreiste, Jordán habe immer seine Puppe dabeigehabt.«
»War er schwul?«
»Nein. Fetischist. Er behauptete, sie bringe ihm Glück. Eine Art Amulett. Abergläubisch, wie er war.«
Morgado ging die amerikanischen Zeitungsausschnitte durch. »Gibt es irgendeine Theorie zu diesem Fall?«, wagte er sich mutig vor.
Leobardo übergab ihm eine vergilbte Zeitschrift. »Das ist ein Exemplar von Detective Internacional, der kriminalistischen Zeitschrift, die damals Joaquín Aguilar Robles herausbrachte, ein erstklassiger Ermittler und Schriftsteller. Diese Ausgabe ist vom Februar 1952. Auf Seite fünfzehn gibt es eine anonyme Notiz zu dem Fall.«
Morgado las: »Die Heroinhändler stehen mit dem Rücken an der Wand. Seit im Dezember letzten Jahres im El Tecolote zwei Kilo des Rauschgifts beschlagnahmt wurden, drängen sich die Drogenabhängigen um die Dealer ihres Vertrauens. Vergebens. Die Droge ist vom Markt verschwunden, und den Verkäufern und Konsumenten bleibt nichts anderes übrig, als sich zu krümmen und zu leiden. Amerikanischen Quellen zufolge ist es zum ersten Mal seit Jahren gelungen, den Heroinfluss aus Panama zu stoppen. Der Fall der mit Heroin gefüllten Puppe ist ein internationaler Erfolg für die mexikanische Polizei. Und das ist erst der Anfang.«
»Eine seltsame Geschichte, finden Sie nicht?«, bemerkte Leobardo.
»Äußerst seltsam. Aber jetzt wird mir vieles klar. Die Story bestätigt, dass Timothy als unfreiwilliger Kurier benutzt wurde, um das Heroin hierher zu schaffen. Aber die Fracht war in der Puppe und nicht in Burroughs Päckchen.«
»Ist der Name des berühmten Schriftstellers dadurch reingewaschen?«, fragte Ava, während sie Morgado den Kaffee reichte.
»Zum Teil. Obwohl mir mein Gefühl sagt, dass Burroughs etwas mit dem Geschäft der Panamesen zu tun hatte. Zumindest musste er als Konsument und Dealer in der amerikanischen Gemeinde in Mexico City gewusst haben, wie das Geschäft lief.«
Morgado kostete von dem Kaffee und lächelte. Ava konnte ihn auf den Punkt genau zubereiten. »Schmeckt wunderbar, danke.«
» You are welcome « , antwortete sie.
»Wir wissen nicht, was mit Dave Tercerero und mit Timothy, dem Vater Ihres Mandanten, passiert ist.«
»Sie sind in eine Falle geraten. Wie es in der Notiz steht. Alan Brod wurde mit Sicherheit von der Polizei beider Länder überwacht. Und die Puppe erweckte bestimmt Verdacht. Es war zu offensichtlich. Ich verstehe nur nicht, wie Timothy entkommen konnte. Ein Deserteur ist jemand, der immer darauf achtet, wie viele Fluchtwege der Ort hat, an dem er sich aufhält. Aber selbst so …«
Leobardo holte das Telefon und wählte. Während er
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