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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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schon dunkel, als die Lichter Mexicalis sie empfingen.
    Die Aussage dauerte sechs Stunden. Gegen ein Uhr morgens traf Morgado in seinem Hotelzimmer ein und ließ sich erschöpft mit schmerzenden Gliedern ins Bett fallen. Er schlief angezogen auf dem Bauch liegend auf der faltigen Bettdecke ein.
    Das Klopfen des Zimmermädchens weckte ihn am anderen Morgen um zehn. »Kommen Sie in einer Stunde wieder«, brummte er und schleppte sich unter die Dusche. Danach fühlte er sich wacher. Er überlegte, ob er sich das Frühstück aufs Zimmer bestellen sollte, als er den Schuhkarton auf dem Tischchen an der Tür bemerkte.
    Plötzlich hatte er alles wieder vor Augen, und er setzte sich hin, damit seine Beine nicht anfingen zu zittern: den Schädel in der Wüste und die endlose Diskussion, ob sie die Polizei rufen und sie über den weiteren Fund informieren sollten.
    »Willst du, dass dieser blutrünstige Fotograf wieder auftaucht?«, hörte er Elena sagen.
    »Am besten lassen wir ihn da und kommen später zurück, um ihn auszugraben«, schlug Jimmy vor.
    »Am besten graben wir ihn jetzt gleich aus und beerdigen ihn dann. Diese Knochen sind schon älter, wir werden nicht mehr herausfinden, wem sie gehören.« Das kam von Lucy, die Knochen für Knochen im gleißenden Licht einer unerbittlichen Sonne freilegte.
    »Morgado kann das«, sagte Elena. »Er kann die seltsamsten Fälle lösen. Da werden so ein paar Knochen wie die doch wohl kein Problem sein, oder?« Und in ihrer Mata-Hari-Rolle zwinkerte sie ihm zu.
    Aber Morgado schien gegen ihre Avancen gefeit und blieb auf der Hut. »Man sollte alles so lassen, wie es ist.«
    Jimmy kniete vorsichtig nieder und untersuchte den Schädel aufmerksam. »Einschusslöcher.«
    Lucy nickte.
    »Und Austrittslöcher. Wie lange liegt der schon hier, Morgado?«
    »Ich weiß nicht. Von der Kleidung sind nur noch Fetzen übrig. Die Sonne zerstört alles in kurzer Zeit. Ich sehe keine Reparaturen am Gebiss. Nichts, was eine eindeutige Identifizierung ermöglichen würde.«
    Jimmy holte eine Schuhbürste hervor und fuhr damit über den sandigen Boden. »Und das?«
    Morgado erstarrte: Zwei Patronenhülsen, ein breiter schwarzer Füller und ein Stück eines Metalllineals kamen dank der Beharrlichkeit des obersten Raben zum Vorschein.
    »Seltsam, dass sie die Beweise zurücklassen«, sagte Morgado.
    »So seltsam auch wieder nicht, wenn die, die ihn getötet haben, sicher sein können, dass man ihnen nichts anhaben kann.«
    »Und das Lineal?«
    Morgado konnte es nicht glauben. So ein Lineal brauchte man, um Fotos vom Tatort eines Mordes zu machen. Es war ein Standardwerkzeug der Polizeiarbeit. Die Polizisten würden so etwas jetzt gerade bei dem von den wilden Hunden zerfleischten Paar verwenden.
    »Jemand hat diesen Toten untersucht«, sagte er, ohne seine Entdeckung ganz begriffen zu haben.
    »Die Presse?«, fragte Elena, die immer noch wütend auf den Fotografen war.
    »Glaube ich nicht.«
    »Die Polizei?«
    »Vielleicht. Keine Ahnung.«
    Jimmy holte ein Taschentuch heraus und nahm das Lineal mit. »Ich brauche eine Plastiktüte. Vielleicht sind Fingerabdrücke drauf.«
    Lucy schüttelte missbilligend den Kopf. »Du solltest nicht so viel fernsehen.«
    Eine Stunde später hatte das geheime Ausgrabungskommando die Aktion erfolgreich beendet. Die Überreste des Toten lagen in einer großen Werkzeugkiste und die bei ihm gefundenen Gegenstände – die Patronenhülsen, der Füller, das Stück von dem Metalllineal und ein dreimal gefaltetes weißes Blatt Papier – in einem Schuhkarton.
    Eben der Schuhkarton, den Morgado jetzt fast mit panischem Entsetzen in seinem Hotelzimmer betrachtete. Das Telefon klingelte. Er sprang auf.
    Es war Jimmy, wie zu erwarten. »Ich bin in der Lobby. Ich warte auf dem Parkplatz auf dich.«
    »Ich komme. Gib mir fünf Minuten zum Anziehen.«
    »Okay. Aber vergiss den Schuhkarton nicht. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns.«
    Morgado legte auf und betrachtete sich im Spiegel. Ein erbärmlicher Anblick. Wie viele Gesetze habe ich gestern übertreten, dachte er, während er seine zunehmend schütteren Haare kämmte. Als er sich so rasch wie möglich anzog, schoss ihm der nächste Gedanke durch den Kopf: Und wie viele Gesetze werde ich heute übertreten? Schwer zu sagen. Als er das Zimmer verließ, hängte er das Schild »Zimmer bitte reinigen« an die Klinke.
    Und auch mein Gewissen, wenn möglich, dachte er.
     
7
     
    »Radiologe?«, fragte Morgado.
    »Genau. Ein Spezialist

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