Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
Heiteres und Düsteres ist ohnehin nur sehr schwer voneinander zu trennen. Beides geht ineinander über, und die jeweilige Perspektive gibt den Ausschlag. Das habe ich schon als Kind so empfunden, und es ist heute nicht anders. Manchmal schaue ich einen Film, an dem andere Leute nichts Ungewöhnliches entdecken können, und finde ihn zutiefst subversiv, finster und furchterregend. Andersherum kann es vorkommen, dass jemand eine Szene aus einem meiner Filme düster findet, was ich dann überhaupt nicht nachvollziehen kann. Wie mit dem Ende von VINCENT : Die Leute vom Studio wollten, dass er aufsteht und mit seinem Vater das Zimmer verlässt. Aber das hätte ich als viel düsterer empfunden. Ich fand das Ende, so, wie es ist, sehr schön, weil es die Gedanken der Hauptfigur zum Ausdruck bringt. Und davon handelte schließlich der Film. Es ging darum, sich in den Geist der Figur hineinzuversetzen. Was als düster wahrgenommen wird, ist Interpretationssache.
Im Verlauf der Dreharbeiten zu BATMAN lernte Burton die deutsche Malerin Lena Gieseke kennen. Die beiden heirateten im Februar 1989, während Burton die Postproduktion in England beendete.
N ach dem großen Erfolg von BATMAN galt Burton als heißester Nachwuchsregisseur Hollywoods. Doch statt der von Warner Bros. gewünschten BATMAN -Fortsetzung beschloss er, erst einmal EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN zu drehen. Es war ein Projekt, das Burton schon lange am Herzen lag und auf einem Bild beruhte, das ihn seit seiner Kindheit beschäftigte – einem Mann, der Scheren anstelle von Händen besaß. Obwohl Burton seine letzten drei Filme für Warner Bros. gedreht hatte, stieß er mit dieser Idee beim Studio auf taube Ohren. Er machte sich deshalb auf die Suche nach einem anderen Filmstudio, das ihm genug Freiheit ließ, um seine Ideen zu verwirklichen. Schließlich landete er bei Twentieth Century Fox – damals noch unter der Leitung des ehemaligen Regisseurs Joe Roth.
Die Leute bei Warner Bros. begriffen einfach nicht, worum es bei dem Film ging, was mir entgegenkam, denn so wusste ich, dass sie den Film im Grunde nicht machen wollten. Ich will nur mit Leuten arbeiten, die mit mir auf einer Wellenlänge liegen. Auch heute noch versuche ich abzuschätzen, ob ein Studio einen Film wegen mir als Regisseur machen will oder ob den Leuten die Idee gefällt. Es ist von Vorteil, wenn das Studio auch auf das Material anspricht, weil das Filmemachen nun mal ein äußerst schwieriger Prozess ist. Dass Warner Bros. die Idee nicht gefallen hat, war also kein Problem für mich.
Obwohl in Hollywood so viele schräge Außenseiter arbeiten, ist die Filmindustrie erstaunlich konservativ. Zwar verdanke ich meinen Erfolg dem Studiosystem, dennoch habe ich nicht das Gefühl, ein Teil des Systems zu sein. Und die Leute bei den Studios sehen das ähnlich. Wenn ich mit meinen Ideen an sie herantrete, ernte ich oft nur ein Stirnrunzeln. Aber darin liegt auch ein ganz besonderer Reiz: Innerhalb des Systems seine eigenen Ideen umsetzen zu können hat einen perversen Charme.
Schon während der Vorbereitungen zu BEETLEJUICE gab Burton der jungen Romanautorin Caroline Thompson den Auftrag, ein Drehbuch zu EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN zu verfassen. Die beiden hatten einander über ihren Agenten kennengelernt, der den Eindruck hatte, dass sie sich gut verstehen könnten. Er sollte recht behalten. In Thompson fand Burton eine Gleichgesinnte, die später auch das Drehbuch zu einem weiteren Herzensprojekt von ihm schrieb: NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS .
Ich habe Carolines Romandebüt First Born gelesen, in dem ein Kind nach der Abtreibung wieder zum Leben erwacht, und es hat mir gut gefallen. Die Geschichte kombiniert ein gesellschaftskritisches Thema mit fantastischen Elementen. Diese Mischung hat mich sehr angesprochen. Es war dem sehr nahe, was mir für EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN vorschwebte. Ich kann nicht sehr gut mit Worten umgehen, besonders wenn es darum geht, Gefühle zu beschreiben. Deshalb war Caroline für mich ein Glücksfall. Sie lag genau auf einer Wellenlänge mit mir. Ich trug diese Idee schon so lange mit mir herum, dass sie etwas Symbolhaftes angenommen hatte. Ich wollte sie deshalb nicht auseinandernehmen und analysieren, sodass ich einen Autor brauchte, dem ich die Psychologie der Figur nicht auszubuchstabieren brauchte. Caroline hat mich sofort verstanden, selbst wenn ich mich mal etwas vage ausdrückte.
Für das Drehbuch habe ich ihr aus eigener Tasche ein paar Tausend
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