Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
missverstanden wird.
Er passt ins Schema, ja. Aber es gibt auch ein paar Abweichungen. Was mir an Ed Wood besonders gefiel, war seine positive Grundhaltung. Dieser Optimismus, der fast schon an eine Verleugnung der Wirklichkeit grenzte, hat mich am meisten beeindruckt. Das hat für mich etwas unglaublich Charmantes. Es erinnert mich an Catwoman oder Sally aus NIGHTMARE – die Vorstellung, als Persönlichkeit nur lose zusammengeflickt zu sein. Bis zu einem bestimmten Punkt ist es großartig, leidenschaftlich und optimistisch zu sein – aber wenn man darüber die Wirklichkeit vergisst, grenzt es eher an Wahn. Das hat mir an der Figur Ed Wood so gefallen. Ich glaube, jeder von uns gibt sich bestimmten Illusionen hin. Und das ist auch gut so. Kaum jemand ist sich jedes einzelnen Aspekts seiner Persönlichkeit genau bewusst.
Dass ich diesen Film gemacht habe, ist auf einiges Unverständnis gestoßen. Schließlich bin ich ein erfolgreicher Regisseur. Warum sollte ich einen Film über jemanden drehen, der keinen Erfolg gehabt hat? Aber die Grenze zwischen Erfolg und Misserfolg ist fließend. Bei meinen Filmen hätte es auch genauso gut anders laufen können. Deswegen konnte ich mich mit Ed Wood so gut identifizieren. Wer weiß? Vielleicht bin ich ja der Ed Wood von morgen. Auf die Erfolgschancen meiner Filme angesprochen, zucken die Leute von den Studios vor dem Kinostart zumeist auch nur ratlos mit den Schultern. Mit einem Film wie Lethal Weapon fühlt sich ein Studio deutlich wohler, weil der Erfolg scheinbar vorprogrammiert ist. Bei meinen Filmen hat es diese Gewissheit nie gegeben. Deshalb kann ich mit Ed mitfühlen. Ich mag ihn, weil er trotz seiner Fehler so enthusiastisch ist.
Seine Freundschaft mit Bela Lugosi, den er am Ende seines Lebens kennengelernt hat, hat mich natürlich an meine Bekanntschaft mit Vincent Price erinnerte. Vincent zu begegnen hatte enormen Einfluss auf mich, und so muss es auch bei Ed gewesen sein, als er sein Idol kennenlernen und mit ihm arbeiten durfte. Hinzu kamen die merkwürdigen Leute, mit denen er sich umgab – allesamt sehr faszinierend. Sie standen außerhalb der Gesellschaft und wurden von ihrvöllig falsch wahrgenommen. Wenn solche Leute sich für eine Sache ins Zeug legen, hat das etwas Befreiendes, weil sie dann endlich sie selbst sein können.
Zwischen Ed und mir gibt es viele Gemeinsamkeiten. Ich versuche immer, mich in die Figuren meiner Filme hineinzuversetzen. Das muss ich auch, weil ich mich bei meiner Arbeit nur schlecht durchmogeln kann. Was ich an Eds Persönlichkeit am besten nachvollziehen konnte, war seine Begeisterung fürs Filmemachen, die fast schon an eine Sucht grenzte. Die Filme, die ich bisher gedreht habe, haben mich stets völlig in Anspruch genommen. Während der Arbeit glaubt man immer, man würde den großartigsten Film aller Zeiten erschaffen. Und das ist sehr wichtig. Auch wenn es sich vielleicht nicht mit dem deckt, was der Rest der Welt über einen denkt.
Wenn ich also irgendein Kunstwerk oder einen Film sehe, in den jemand eine Menge Herzblut gesteckt hat, dann finde ich das anerkennenswert. Es spielt keine Rolle, ob mir das Ergebnis gefällt – weil derjenige sich große Mühe gegeben hat, kreativ zu sein. Und das kommt so selten vor. Wenn Leute zum Beispiel aus alten Autos in der Wüste seltsame Skulpturen bauen, ist das eine tolle Sache.
HANSEL AND GRETEL wurde damals von den Kritikern in der Luft zerrissen. Und ich habe nur gedacht: Sollen sie doch erst mal selber etwas erschaffen! Inzwischen sind die Medien mit ihren Urteilen so allgegenwärtig, dass es immer weniger Leute gibt, die tatsächlich kreativ werden. Es wird viel mehr geurteilt als geschaffen. Schrecklich!
Deshalb hat ED WOOD so einen optimistischen Erzählton. Ed ließ sich einfach nicht unterkriegen. Am Ende des Films ist er der festen Überzeugung, mit Plan 9 den großartigsten Film aller Zeiten geschaffen zu haben. In Wahrheit wird seine Lebensgeschichte danach immer tragischer. Es war also ein guter Moment, um den Film enden zu lassen.
Alle Figuren bei Burton besitzen eine gewisse Doppelnatur – bei Ed ist es seine Vorliebe für Frauenkleider.
Das wird im Film ziemlich deutlich angesprochen. Ich versuche aber, da eher sachlich zu bleiben und kein Urteil über andere Leute zu fällen. Eds Vorliebe für Frauenkleider ist einfach Teil seines Lebens. Transvestiten sind in Filmen meist Witzfiguren. Ich weiß nicht, woran das liegt, und es hat mir auch nie gefallen. Ich
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