Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
wollte das deshalb vermeiden, obwohl die Vorstellung natürlich etwas Lustiges hat. Ed war heterosexuell, hat aber trotzdem gern Frauenkleider getragen. Was ich bis zu einem gewissen Grad verstehen kann – Frauenkleider sind einfach angenehmer. Die Männermode hat sich schon seit Jahren nicht mehr verändert. Die besten Stoffe und Materialien werden für die Frauenmode verwendet. Ich finde es also gar nicht so unbegreiflich, dass ein Mann gern Frauenkleider trägt. Und Ed hatte das große Glück, dass die meisten Leute in seinem Umfeld seine Neigungen einfach akzeptiert haben.
Es gibt eine Szene im Film, die mir besonders gut gefällt, in der Ed seiner Frau Kathy diese Schwäche beichtet und sie es einfach so hinnimmt, ohne großes Gewese darum zu machen. Es ist keine besonders dramatische Szene, aber sie rührt mich trotzdem zu Tränen. Dass man von einem anderen Menschen so vorbehaltlos akzeptiert wird, passiert so selten. Aber wenn, dann ist es eine tolle Erfahrung.
Möchtegernstars mit Illusionen (Bill Murray, Sarah Jessica Parker, Johnny Depp)
Man kann Burtons Filme auch als Trickfilme mit echten Schauspielern betrachten. ED WOOD ist der erste seiner Filme, der von realen Personen handelt.
Das stimmt. Der Film stellt eine gewisse Abweichung dar, weil es um echte Menschen geht. Die Figuren in ED WOOD gab es wirklich, zugleich aber auch wieder nicht – und das macht sie für mich so interessant. Wenn man das Buch von Rudolph Grey über die Geschichte dieser Leute liest, wird einem klar, dass sie eigentlich keine haben. Das Buch besteht lediglich aus einer Reihe vager Erinnerungen an diese Zeit. Der eine sagt dies, der andere das, und manches widerspricht sich sogar. Trotzdem verbreiten diese Möchtegernstars mit all ihren Illusionen eine unglaublich optimistische Stimmung. Und das deckt sich für mich mit Ed Woods Charakter. Ich habe das Projekt also von Anfang an wie einen Andy-Hardy-Film betrachtet. Das war mein Eindruck von diesen Leuten.
Ihre Erinnerungen sind sogar noch unzuverlässiger als meine – auch wenn das kaum zu glauben ist. Ich hatte also freie Hand. Wir haben es hier nicht mit dem gut dokumentierten Leben eines Orson Welles zu tun. Als Ed Wood starb, gab es nicht einmal einen Nachruf in den Zeitungen. Er hatte einen Herzanfall, während er gerade ein Footballspiel im Fernsehen schaute, und niemand wusste, wer er war.
Ursprünglich sollte ED WOOD bei Columbia Pictures produziert werden, doch als Burton beschloss, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen, stellte sich der Studioleiter Mark Canton quer. Er wollte den Film nur produzieren, wenn das Studio beim kreativen Prozess ein Mitspracherecht hätte. Burton bestand jedoch darauf, alle Fäden in der Hand zu behalten. Deshalb wurde der Film im April 1993, einen Monat vor dem geplanten Beginn der Dreharbeiten, von Canton abgestoßen. Die Entscheidung löste großes Interesse bei den anderen Studios aus. Sowohl Warner Bros. als auch Paramount und Fox wollten die Rechte erwerben, aber Burton be s chloss, ein Angebot von Disney anzunehmen, die zuvor NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS produziert hatten. Mit seinem für heutige Verhältnisse niedrigen Budget von 18 Millionen Dollar ging Disney mit dem Film kein großes Risiko ein. Das Studio gewährte Burton deshalb uneingeschränkte kreative Freiheit. Die Dreharbeiten begannen im August 1993.
ED WOOD ist der Film, bei dem ich im Vorfeld mit den meisten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass es solche Probleme geben würde. Ich selbst habe nicht einmal ein Honorar verlangt, sondern nur eine Beteiligung an den Einnahmen. Außerdem war es kein sonderlich abwegiges Thema. Als ich das Drehbuch das erste Mal gelesen habe, hat es mir sehr gut gefallen, und das Projekt war sicher nicht merkwürdiger als meine anderen Filme. Und billiger als alles, was ich seit PEE-WEE gemacht hatte. Ich habe sogar die meisten Schauspieler dazu bekommen, für niedrige Gagen zu arbeiten.
Die Entscheidung, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen, ging auf dieselben Überlegungen zurück, die auch meinen anderen Filmen zugrunde liegen. Mit Martin Landau, der Bela Lugosi spielt, waren wir für eine Maskenprobe bei Rick Baker, und dabei kam die Frage auf, welche Augenfarbe Bela eigentlich hatte. Da wurde mir klar, dass ich den Film in Schwarz-Weiß drehen musste, weil es für das Material einfach das Beste war. Genau wie bei FRANKENWEENIE oder VINCENT . PEE-WEES IRRE ABENTEUER , BEETLEJUICE oder BATMAN wirken
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