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Tim (German Edition)

Tim (German Edition)

Titel: Tim (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Jäger
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bekommt von seiner Familie jede Unterstützung , die wir ihm geben können. Allerdings ist uns auch bewusst, dass er auch jemanden außerhalb der Familie braucht, dem er vertrauen kann. Tim hat das Gefühl, dass du diese Person bist.
Uns ist es bewusst, dass es vermutlich nicht gern gesehen wird oder vielleicht sogar verboten ist, mit Tim über sexuelle Themen zu sprechen. Wir wollen dir mit dieser E-Mail sagen, dass es für uns als Eltern völlig in Ordnung ist. Wir möchten dich sogar darum bitten, mit ihm darüber zu reden. Er vertraut dir und es ist ihm wirklich wichtig.
Liebe Grüße,
Betsy und Norman
P.S. Ich hoffe, du empfindest das nicht beleidigend, aber Tim glaubt, dass du auch schwul sein könntest. Falls das der Wahrheit entspricht und du dich entscheiden solltest, es ihm zu sagen, kannst du sicher sein, dass Tim es für sich behalten wird.
    Sprachlos saß ich vor dem Monitor und las die Mail ein zweites Mal. War ich so einfach zu durchschauen? Vermutlich sollte ich Tim diese Frage stellen. Ich druckte die E-Mail aus, um sie ihm zu zeigen. Dann meldete ich mich von meinem E-Mail-Account ab.
    Ich war ein bisschen verwirrt und in Gedanken versunken. Auf halbem Weg zu unserer Hütte fiel mir wieder ein, dass ich am Trampolin aushelfen sollte. Ich war so durcheinander, dass ich das völlig vergessen hatte. Auf meinem Weg gingen mir jede Menge Gedanken durch den Kopf. Ich dachte unterwegs weiter über diese E-Mail nach, aber eine Antwort auf meine Fragen fand ich nicht.

    Dan, der für das Trampolin verantwortliche Betreuer, freute sich über meine Hilfe. Wir unterhielten uns ein wenig, während wir auf die Kids achteten. Es gelang mir allerdings nicht wirklich, mich auf das Gespräch zu konzentrieren. Dann sah ich Tim in der kleinen Gruppe Jungs, die darauf wartete, das Trampolin zu benutzen. Er grinste und winkte mir kurz zu. Als Tim schließlich an der Reihe war, verblüffte er mich wieder einmal. Er war ein Experte auf dem Trampolin. Tim zeigte Saltos und Schrauben mit einer Eleganz, die ich noch nie gesehen habe, ausgenommen vielleicht bei Olympischen Spielen im Fernsehen. Mir wurde regelrecht schwindelig. Die anderen Jungs schauten erstaunt zu und feuerten ihn an.
    »Wo hast du das denn gelernt?«, fragte einer der Zuschauer, als Tim eine kurze Pause einlegte.
    »Ich benutze das Trampolin oft beim Turmspringen zum üben«, erklärte Tim.
    »Du bist echt gut«, stimmte ein anderer Junge ein.
    Tim grinste mich an. »Ich könnte ein bisschen Gewicht hier oben brauchen. Charlie, kennst du dich mit dem Trampolin aus? Ich brauche ein bisschen mehr Höhe.«
    »Was du da machst kann ich sicherlich nicht, aber ein bisschen Springen bekomme ich hin.«
    »Cool. Dann rauf mit dir.« Ich zog meine Schuhe aus und kletterte zu Tim aufs Trampolin. Mit ein bisschen Übung bekamen wir das Timing so hin, dass Tim durch mein Gewicht noch höher springen konnte. Damit konnte er seine Saltos und Drehungen noch eleganter vorführen. Er schaffte es jedoch, seine Sprünge nie wie Angeberei aussehen zu lassen. Nach ein paar Sprüngen stoppte Tim.
    »Okay. Mach dich bereit mich aufzufangen.«
    »Tim —« wollte ich sagen, aber er legte schon los. Nach zwei weiteren Sprüngen und einem Salto landete er sitzend auf meinen Schultern. Ich konnte es kaum fassen. »Wow«, war alles, was ich heraus brachte.
    »Überrascht?«, fragte er und kicherte. »Das mache ich mit meinem Coach in jedem Training. Es ist ein guter Trick, aber auch recht einfach, wenn man weiß wie es geht.« Als wir vom Trampolin kletterten, fragten ein paar der wartenden Jungs, ob Tim nicht noch ein bisschen mehr zeigen könnte. Er lehnte jedoch ab. »Die anderen wollen auch dran kommen und ich habe genug gemacht. Außerdem ist das ziemlich anstrengend.«
    Dan kam zu uns und klopfte Tim auf die Schulter. »Hey, das war klasse. Hättest du Lust, den anderen morgen ein bisschen zu helfen und ihnen das eine oder andere zu zeigen? Von uns ist niemand auch nur halb so gut wie du.«
    »Klar, kein Problem. Du musst mir nur Bescheid sagen, damit ich nicht auf einem der Boote bin, wenn du mich brauchst.«
    Die Gruppe löste sich nach Tim‘s Vorstellung ziemlich schnell auf. Wir gingen zusammen zu unserer Hütte zurück, um etwas zu trinken.
    »Wollen wir noch ein Stück spazieren gehen?«, fragte ich, nachdem ich einen Schluck Cola getrunken hatte. »Ich glaube, dass wir noch ein bisschen reden sollten.«
    Das immer vorhandene Lächeln verschwand aus Tim‘s Gesicht.

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