Tim (German Edition)
es ein bisschen von beidem.
Tom sah auf die Uhr. »Los Hal, auf geht‘s. Wir haben noch etwas mehr als eine Stunde bis zum Essen.« Ohne Widerspruch folgte er Tom und Franklin. Nach ein paar Metern begannen sie zu joggen.
»Und was machst du, bis du an der Reihe bist, Hal zu quälen?« fragte ich Tim.
»Ihn quälen? Wir? So etwas würden wir doch nie machen«, widersprach Tim mit einer Unschuldsmiene, die mich zum Lachen brachte. »Ich denke ich werde ein bisschen schwimmen und dann selbst das Trampolin unsicher machen.«
Ich wünschte ihm viel Spaß und widmete mich wieder meinen Schützlingen beim Bogenschießen.
Nach dem Mittagessen war ein anderer Betreuer für die Bogenschießanlage zuständig. Damit hatte ich ein bisschen Freizeit und konnte mich selbst ein wenig umsehen und schauen, was meine Jungs so trieben. Als ich am Baseballplatz vorbei kam, warfen sich Franklin und Hal Bälle zu. Genauer genommen warf Franklin und Hal versuchte den Ball zu fangen, was ihm allerdings nicht immer gelang. Vor den schnellen Bällen hatte er Angst und wenn er sich zu viel bewegen musste, stolperte er regelmäßig fast über seine eigenen Beine. Ich ging weiter und schaute bei Stanley, dem Campleiter, im Büro vorbei.
»Hi, Charlie. Du kommst gerade richtig«, sagte er und gab mir die Hand.
»Was ist denn los?« fragte ich.
»Paul geht es nicht besonders gut. Ich glaube, du hast heute Nachmittag nichts zu tun, oder? Könntest du ein bisschen beim Trampolin aushelfen?«
»Klar, kein Problem«, stimmte ich zu. Für das Trampolin waren immer zwei Betreuer zuständig, um sicher zu gehen, dass sich niemand das Genick oder andere Körperteile brach.
»Klasse. Wie läuft es mit deiner Gruppe?« Diese Frage war eigentlich überflüssig, da Stanley ganz genau wusste, was in seinem Camp vor sich ging und wo es Probleme gab.
»Alles bestens. Die Jungs sind wirklich klasse. Hast du schon gehört, was sie mit Hal machen?«
»Was? Muss ich mir Sorgen machen?« Die Sorge in seiner Stimme klang gespielt.
»Nein. Aber Tom, Tim und Franklin haben es sich zum Ziel gemacht, einen neuen Hal zu kreieren.« Stanley schaute mich an, als hätte ich einen Knall. Ich erklärte ihm Tom‘s Plan so ausführlich wie ich konnte.
»Bemerkenswert«, sagte Stanley und lächelte. »Aber es wundert mich nicht. Ihr seid die einzige Gruppe, in der es bisher kein einziges Problemchen gab. Ich habe euch im Auge behalten und noch nie eine so harmonische Gruppe gesehen. Du machst wirklich einen super Job.« Das Kompliment war nett und freute mich, dennoch fand ich, dass es bei mir an der falschen Adresse war.
»Ich habe damit nichts zu tun, Stanley. Das sind die Jungs. Sie verstehen sich einfach hervorragend. Ich stehe nur daneben, schaue zu und lasse sie machen.«
»Bescheiden wie immer«, lachte er. »Sieh zu, dass du zum Arbeiten kommst.« Wir grinsten uns einen Moment an.
»Du bist mich gleich los. Ich schaue nur gleich mal schnell, ob ich wichtige E-Mails bekommen habe. Ich bin gestern nicht dazu gekommen.« Stanley nickte nur und wir verabschiedeten uns.
Ich musste einen Moment warten, bevor ich meine Mails abrufen konnte. Alle Computer waren belegt. Die Campregeln sehen vor, dass zwar jeder die Rechner zum E-Mails schreiben benutzen durfte, aber die Kids sollten nicht den ganzen Tag davor sitzen. Deswegen dauerte es nicht lange, bis ein Computer für mich frei wurde. Als ich mich vor den Monitor setzte, schmunzelte ich. Ich musste daran denken, dass ich meine Briefe aus dem Sommercamp an meine Eltern noch per Hand schreiben musste. Vierundzwanzig neue E-Mails befanden sich in meinem Posteingang. Ich überflog die Betreffzeilen und stellte fest, dass die meisten Nachrichten Newsletter oder Werbung waren. Diese flogen sofort ungelesen in den Papierkorb. Eine Mail sprang mir dann aber sofort ins Auge. Sie war von Tim‘s Eltern. Ich klickte sie an und begann zu lesen. Und zu staunen.
Lieber Charlie,
wenn du diese Nachricht bekommst, wirst du vermutlich bereits ein ernstes Gespräch mit Tim hinter dir haben. Jedenfalls hat er uns gestern in seiner E-Mail geschrieben, dass er das vor hatte. Und so wie ich Tim kenne, bleibt er dabei, wenn er sich etwas in den Kopf setzt.
Betsy und ich wollten dir mit dieser E-Mail versichern, dass wir Bescheid wissen. Tim hat uns schon vor ein paar Jahren erzählt, dass er schwul ist. Und wir möchten dir versichern, dass wir voll hinter unserem Sohn stehen. Wir wissen, dass er schwierige Jahre vor sich hat und er
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