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Tim (German Edition)

Tim (German Edition)

Titel: Tim (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Jäger
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nicht die Klappe halten und musste unbedingt herausposaunen, dass ich bei den letzten Landesmeisterschaften im Turmspringen Zweiter geworden bin. Daraufhin kamen ständig Leute zu mir und bettelten darum, dass ich ihnen ein paar Sprünge zeige. Carl weiß ganz genau, dass mir so eine Prahlerei gar nicht liegt, aber da ich keine Lust hatte mir zwanzig Mal die gleiche Frage anzuhören, stimmte ich irgendwann zu, nach dem Abendessen ein paar Sprünge zu zeigen. Nach dem frustrierenden Gespräch mit Charlie brauchte ich sowieso ein bisschen Zeit, um mich abzulenken. Das war genau das Richtige, denn beim Springen kann ich alles andere ausblenden und mich nur auf das konzentrieren, was ich für einen guten Sprung machen muss.
    Während des Essens verkündete der Campleiter, dass für den nächsten Tag eine Kanutour geplant war. Sie sollte fünf bis sechs Stunden dauern und Stanley bat darum, sich nur zu melden, wenn man wirklich der Meinung war, genug Ausdauer dafür zu haben. Als Charlie sich als Betreuer meldete, hob auch ich sofort meine Hand.
    »Ich nehme das Kanu mit Charlie«, verkündete ich.
    Ein paar Jungs aus meiner Gruppe lachten. Franklin schaute mich mit einem fragenden und forschenden Blick an. Aus unserer Gruppe meldeten sich fast alle. Nur Ronnie hatte keine Lust, er wollte lieber lesen. Auch mein Bruder und zwei Jungs aus seiner Gruppe meldeten sich.

    Nach dem Essen zog ich mich schnell um und war erstaunt, dass sich fast das ganze Camp am See versammelt hatte, um sich meine kleine Demonstration anzuschauen. Auch Charlie entdeckte ich in der Menge.
    Ich versuchte zu erklären, dass sie sich nicht zu viel erhoffen sollten, da man mit dem kleinen Sprungbrett am See nicht besonders viele Sprünge zeigen konnte. Mein Publikum schien das aber nicht zu stören. Also führte ich ein paar Saltos und Schrauben vor, alles eigentlich relativ einfache Sprünge. Wenn man sich allerdings nicht damit auskennt, sehen auch die einfachen Sachen recht beeindruckend aus. Carl gegenüber würde ich das nie zugeben, aber so im Mittelpunkt zu stehen war schon ein tolles Gefühl. Die Komplimente, die ich hinterher bekam, fand ich dann aber eher peinlich. Immerhin lenkte mich das Springen wirklich von Charlie und unserem Gespräch ab. Wie konnte ich ihm nur beweisen, dass ich es ernst meinte? Dass es mir nichts ausmachte, dass er sechs Jahre älter war als ich? Dass mich die Grenzen absolut nicht interessierten, an die er sich so klammerte?

    Nach meiner kleinen One-Man-Show war Hal‘s Friseurtermin an der Reihe. Da er absolut keinen blassen Schimmer hatte was er wollte, entschieden Tom und ich für ihn. Einer der Betreuer im Camp konnte sogar Haare schneiden, also bekam Hal einen kurzen Haarschnitt. Er sah nun endlich nicht mehr wie ein Nerd aus, sondern richtig cool. Auch wenn er etwas grün im Gesicht wurde, als ihn sein Friseur im Scherz fragte, ob er nicht auch eine andere Haarfarbe wollte.

Kapitel 9: Charlie
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    Hal war nicht wieder zu erkennen. Spätestens nachdem er von Tom, Tim und einem Betreuer eine neue Frisur verpasst bekam, war er ein neuer Mensch. Aber nicht nur äußerlich hatte er sich verändert. Er wirkte glücklich, redete mit den anderen Jungs, brachte sich in die Aktivitäten ein und gewann langsam aber sicher immer mehr Selbstbewusstsein. Am erstaunlichsten war, dass er eine Leidenschaft für das Laufen entwickelte. Nach nur wenigen Tagen lief er jeden Morgen nach dem Frühstück mehrere Meilen. Einige der Jungs aus unserer und Carl‘s Gruppe liefen mit ihm. Ein paar waren natürlich schneller als Hal, aber über die Distanz konnte kaum jemand mit ihm mithalten.
    Die Verwandlung fiel einigen anderen Betreuern auf. Am meisten jedoch Stanley. »Mein Gott, Charlie. Was habt ihr mit dem Jungen angestellt?« fragte er.
    »Ich habe damit nichts zu tun. Rede darüber mit Tom, Tim und Franklin. Hal ist ihr Projekt. Ich passe nur auf, dass sie Hal nicht zu sehr quälen«, erklärte ich. Stanley schien den Scherz aber nicht zu erkennen.
    »Quälen?«, fragte er beunruhigt.
    »Sie laufen mit ihm, jagen ihn über den Baseballplatz, vom See dürfte er mittlerweile jede Ecke kennen und die einzigen Pausen, die er bekommt, sind die zum essen und zum schlafen.«
    »Das klingt mehr nach Boot-Camp als nach Urlaub. Bist du dir sicher —« begann Stanley, aber ich unterbrach ihn.
    »Ja, ich bin mir sicher, dass Hal jede Minute davon liebt. Er hatte null Selbstvertrauen und ein Lächeln hatte ich vorher so gut wie nie

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