Tim (German Edition)
Charlie, so etwas möchte ich von Zeit zu Zeit erleben. Als ich Hal sah und dann von seinen Erfolgen hörte, das war einer der besten Momente in meinen Leben. Zu wissen, dass ich eine kleine Rolle dabei gespielt habe, ihm zu helfen das zu erreichen —« Ich ließ den Satz unvollendet und schwieg einen Moment. »Ich würde jeden Sieg beim Turmspringen und alle Preise gegen das Gefühl eintauschen, das ich vorhin hatte, als Hal davon erzählt hat.« Charlie drückte mich fester an sich und ich wackelte mit meinem Hintern. Noch so ein Gefühl, für das ich alles hergeben würde.
»Ich liebe dich, Tim«, sagte Charlie nach einer Weile. Ich drehte meinen Kopf und wir küssten uns, lange und zärtlich. Kurz darauf schliefen wir beide Arm in Arm ein.
Als wir zum Frühstück kamen, saßen meine Eltern schon am Tisch. Ich machte mir einen Saft, Charlie wollte einen Kaffee. Beim Essen plauderten wir mit Mom und Dad über den Abend und andere Dinge.
»Möchtest du eigentlich zur Kirche gehen, Charlie?«, fragte mein Dad.
»Seitdem ich auf dem College bin, habe ich keine Kirche mehr von innen gesehen.«
»Wir gehen nicht mehr seitdem wir wissen, dass wir einen schwulen Sohn haben«, erklärte Norman. »In der Kirche, die wir besucht hatten, wurde eher gegen Schwule gepredigt — unter anderem. Wir konnten uns mit dem Gedanken nicht anfreunden, in eine Kirche zu gehen, die unseren Sohn für einen Sünder hält, nur weil er Jungs mag. Wir haben uns auch nicht nach einer anderen Kirche umgesehen. Wir sind einfach der Meinung, dass man auch gläubig sein kann, ohne jedes Wochenende auf einer Kirchenbank zu sitzen.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Charlie. »Bei mir hatte es aber keinen besonderen Grund. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in meiner Kirche je ein Wort zum Thema Homosexualität gefallen ist. Ich bin nach meinem Umzug nach New York und dann nach Rockford einfach nicht mehr hin gegangen. Und ich sehe auch jetzt keinen Grund dafür, das zu ändern.«
»Was habt ihr Jungs heute vor?« fragte Mom.
»Ich würde gerne mit euch, Tim und Carl ein bisschen reden.«
»Von uns aus gerne. Was meinst du, Tim? Glaubst du, dass du Charlie für eine Weile mit uns teilen kannst?«
»Mir wird nichts anderes übrig bleiben«, antwortete ich lächelnd. Ich muss allerdings zugeben, dass ich ein bisschen enttäuscht war. Charlie schien das auch zu spüren.
»Tim, ich weiß bisher kaum etwas über deine Familie und ich möchte euch alle besser kennen lernen.«
»Okay«, stimmte ich zu und küsste Charlie.
Wir gingen ins Wohnzimmer und machten es uns bequem. Mom und Dad erzählten davon, wie sie sich kennen gelernt haben und ein bisschen aus ihrer Schulzeit. Ich wusste das alles schon und hörte nur mit einem Ohr zu, während ich Charlie anstarrte und meine Gedanken in eine andere Richtung wanderten.
»Was macht ihr beruflich?« fragte Charlie.
Dad erzählte ihm von seinem langweiligen Job im mittleren Management eines großen Unternehmens. Von Mom erfuhr Charlie, dass sie an drei Tagen in der Woche für eine Non-Profit-Organisation arbeitete, das Suppenküchen in der Gegend unterstützte. Sie plauderten von allem Möglichen, warum unsere Eltern so mit uns umgehen, wie sie es tun, ihre allgemeinen Vorstellungen von Erziehung, und Ehrlichkeit und so weiter. Nach einer Stunde wurde es mir zu langweilig.
»Ich möchte Charlie jetzt gerne für mich alleine haben«, verkündete ich und entführte ihn in mein Zimmer, bevor Mom antworten konnte. Dad grinste nur.
Wir legten uns aufs Bett und küssten uns eine Weile. Wir genossen die Momente, die wir noch zusammen hatten, größtenteils schweigend.
»Lass uns irgendwo hin fahren«, schlug ich vor.
»Wohin denn?«
»Irgendwo hin. Wir setzen uns in dein Auto und fahren los, wo immer es auch hin geht. Dabei können wir uns noch ein bisschen unterhalten.« Charlie dachte einen Moment darüber nach, stimmte dann aber zu.
Wir gingen nach unten, sagten Mom und Dad, was wir vorhatten und stiegen in Charlie‘s Auto. Eine viertel Stunde lang schwiegen wir und fuhren einfach durch die Gegend. Die Gedanken an den Abschied, der uns bevorstand, brach mir das Herz. Die Aussicht darauf, Charlie vierzig Monate lang nicht wieder zu sehen, machte alles noch viel schwerer.
»Charlie, ich weiß nicht, ob ich die vierzig Monate wirklich aushalten kann«, sprach ich meine Gedanken schließlich laut aus. »Ich möchte dich nicht darum bitten, dass du die Regeln änderst. Ich weiß, dass das
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