Tim (German Edition)
bleiben und verabschiedete mich von Ronnie.
Kapitel 32: Tim
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Charlie‘s Brief nahm mir eine Last von den Schultern. Nicht weil er mich ermutigte, die Beziehung mit Tina zu vertiefen, sondern weil er sich für mich freute. Dass es ihm trotzdem Sorgen bereitete, konnte er aber nicht vor mir verbergen. Ich wusste aber nicht, wie ich ihm diese Sorgen nehmen sollte. Mehr als immer wieder betonen, dass ich ihn liebte, konnte ich nicht. Und das entsprach absolut der Wahrheit. Ich hoffte, er glaubte es mir auch.
Mein schlechtes Gewissen gegenüber Tina hielt weiter an und ich dachte ernsthaft darüber nach, mich bei ihr zu outen. Ihre Reaktion konnte ich allerdings nicht abschätzen, was alles komplizierter machte. Ich wollte ihr die Wahrheit sagen, aber ich wollte sie auch nicht verlieren. Ich überlegte, wie ich das Gespräch allgemein auf das Thema Homosexualität lenken könnte. Vielleicht war es möglich, sie besser einzuschätzen, wenn ich ihre Reaktion zu dem Thema allgemein sah. Ich wusste es nicht. Ich teilte meine Gedanken mit Charlie in meinem Juli-Brief. Darüber hinaus versuchte ich immer wieder zu betonen, dass ich Tina mochte, aber nicht liebte. Mein Herz gehörte Charlie.
Auch von meinem Training erzählte ich ihm. Beim Turmspringen lief es wirklich klasse, aber auch beim Turnen machte ich Fortschritte, wenn auch etwas langsamer als mir lieb war. Ich hatte noch immer keinen blassen Schimmer, wie ich mich im Herbst für eine der beiden Sportarten entscheiden sollte. Das Springen fiel mir wesentlich leichter und ich konnte dabei wirklich alles ausblenden, was um mich herum geschah. Ich war dann sozusagen in meiner eigenen kleinen Welt, in der nichts außer mir und meinem nächsten Sprung existierte.
Aber Gymnastik machte mir einfach auch riesigen Spaß. Allerdings ärgerte ich mich darüber, dass der Schwebebalken ausschließlich ein Element für Mädchen war. Ich war dort besser als alle Mädchen aus meiner Mannschaft zusammen. Aber was sollte ich tun? Meinem Trainer passte es nicht, dass ich mit dem Schwebebalken meine Zeit verschwendete, wie er es ausdrückte. Aber es war mein Lieblingselement und ich konnte bei meinen Übungen experimentieren und richtig gut entspannen. Ich weiß nicht, warum er das nicht einfach verstehen und akzeptieren konnte. Er versuchte mich immer wieder dazu zu drängen, diesen Teil meines Trainings auszulassen. Das ließ ich aber nicht zu.
Ich beendete meinen Brief an Charlie damit, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich mich entscheiden sollte. Ich wusste, dass er mir diese Entscheidung nicht abnehmen konnte, aber es tat gut, ihm davon zu erzählen.
Kapitel 33: Charlie
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Die vier Wochen mit Jim und Andy vergingen wie im Flug. Ich hatte viele interessante Gespräche mit den beiden. Manchmal kam nur einer zu mir um zu reden, manchmal kamen beide zusammen. Ich erfuhr zum Beispiel von beiden, dass sie sich nach dem Sommercamp im letzten Jahr näher gekommen waren und eine Weile dachten, dass sie vielleicht ineinander verliebt sein könnten. Beide begannen aber bald, sich mehr für Mädchen zu interessieren und suchten meinen Rat. Sie wollten beide die Beziehung beenden, jedoch ohne den jeweils anderen zu verletzen, da ihnen ihre Freundschaft wichtig war. Lustigerweise erzählten mir beide unabhängig von einander davon. Ich wünschte, dass alle Probleme so einfach zu lösen wären. Ich versuchte ihnen beizubringen, dass Ehrlichkeit der einzige Weg war, um miteinander zu reden. Da ich wusste, was beide dachten, erwartete ich keine Probleme.
Ich weiß zwar nicht, wer von ihnen das Thema zuerst ansprach, aber eines Nachmittags kamen beide zu mir auf die Bogenschießanlage. Sie hatten ein breites Grinsen im Gesicht. Sie fragten, ob ich kurz Zeit hätte, um zu reden. Leider konnte ich gerade nicht weg, aber ich sagte ihnen, dass ich an ihrem Grinsen ablesen konnte, was sie mir sagen wollten. Beide lachten und damit war die Geschichte erledigt.
Etwa zu dieser Zeit erhielt ich Tim‘s Juli-Brief, in dem er mir von seinen Überlegungen erzählte, sich bei Tina zu outen. Außerdem schrieb er darüber, wie es ihn frustrierte, zwischen seinen beiden Sportarten wählen zu müssen. Beim Thema Sport konnte ich ihm leider keinen guten Rat geben. In Sachen Tina ermutigte ich ihn jedoch, seine Idee zu verfolgen und abzuwarten, wie sie allgemein auf das Thema reagieren würde. Mit der Erlaubnis von Jim und Andy erzählte ich Tim die Geschichte um ihre Beziehung und ihre Trennung. Ich
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