Tim (German Edition)
aktuelle Freundin die Nacht bei ihnen verbringen würden. Betsy und Norman machten sich keine Sorgen deswegen. Norman merkte an, dass ihre Söhne kein freies Wochenende bräuchten, um etwas zu tun, womit ihre Eltern nicht einverstanden waren. Wie üblich überraschte es mich, wie offen sie darüber sprachen, dass Tim und Tina die Nacht miteinander verbringen würden. Betsy merkte aber an, dass auch Tim und ich die Nächte miteinander verbracht hatten und dass es wahrscheinlicher war, dass da etwas passierte, als zwischen Tim und Tina. Da war natürlich etwas Wahres dran. Ich fragte sie, ob sie denn wüssten, was die beiden miteinander machten.
»Weißt du es denn?« fragte mich Norman.
»Ja, natürlich. Tim erzählt mir darüber alles in seinen Briefen.«
»Das dachte ich mir. Er lässt uns viele seiner Briefe lesen. Die meisten deiner Briefe übrigens auch. Wusstest du das?«
»Ich konnte es mir denken. Ihr habt mit euren Kindern die beste Beziehung, die ich je zwischen Eltern und Teenagern gesehen habe. Ich bin immer wieder erstaunt. Aber ich glaube, ihr seid aus einem anderen Grund hier. Wollt ihr es mir sagen?«
»Nein, lass uns erst mal Essen gehen. Dann können wir reden«, schlug Norman vor.
Wir fuhren gemeinsam in ein Restaurant. Norman fragte nach einem ruhigen Platz, damit wir reden konnten. Nachdem wir bestellt hatten, kam ich auf meine Frage zurück.
»Was ist das Thema für heute Abend?«
»Du und Tim natürlich«, antwortete Norman. »Betsy und ich glauben, dass wir dir eine Entschuldigung schuldig sind. Und deswegen sind wir hier.«
»Eine Entschuldigung? Ihr hättet nicht netter zu mir sein können. Alle anderen Eltern wären vermutlich Amok gelaufen, wenn ihr 14-jähriger Sohn aus dem Sommercamp nach Hause kommen und sagen würde, er hätte sich in seinen Betreuer verliebt. Ihr hättet mir die Schuld dafür geben können, vielleicht sogar müssen. Ich hätte Tim auf Abstand halten müssen.«
»Ich bezweifle, dass du das geschafft hättest, ohne ihn zu belügen«, gab Betsy zu bedenken. »Du weißt, wie sehr ihn das verletzt hätte. Und ich glaube nicht, dass wir in einer Welt leben, in der man Kinder belügen sollte.«
»Lass es mich erklären«, schlug Norman vor. »Tim kam aus dem Camp zurück und erzählte uns die ganze Geschichte. Daraus konnten wir sofort folgende zwei Schlüsse ziehen. Erstens, soweit wir es beurteilen konnten, warst du völlig unschuldig. Es sei denn, Tim hätte uns eine falsche Version der Story erzählt. Das hielten wir aber ohnehin für ausgeschlossen. Und zweitens waren wir davon überzeugt, dass es nur eine harmlose Schwärmerei ist. Wir trafen dich im Camp, konnten dich aber nur kurz kennenlernen. Wir konnten zwar sehen, warum Tim dich mochte, aber überhaupt nicht nachvollziehen, wie daraus in nur zwei Wochen eine voll entwickelte Liebe werden konnte.«
»Das dachte ich auch. Aber Tim hat mir immer wieder das Gegenteil bewiesen«, sagte ich.
»Das wissen wir. Da geht es uns genauso. Betsy und ich sprachen lange darüber, wie wir damit umgehen sollten. Dann dachten wir an das Sprichwort ›Liebe wächst mit der Entfernung‹ . Wir waren davon überzeugt, dass wir diese kindliche Schwärmerei nur noch verstärken würden, wenn wir ihn entmutigen oder es sogar verbieten würden. Unsere Strategie war also, dich einzuladen, damit Tim sehen konnte, dass wir dir gegenüber nicht feindselig eingestellt waren. Deswegen die Einladung nach Minneapolis.«
»Wir hatten dich unter Vortäuschung falscher Tatsachen eingeladen«, ergänzte Betty. »Und dafür wollen wir uns entschuldigen. Wir dachten, wir sind es dir schuldig, reinen Tisch zu machen.«
»Wie auch immer«, warf Norman ein. »Unser hinterhältiger Plan entpuppte sich schnell als Reinfall. Ich habe Tim nie glücklicher gesehen als an diesem Wochenende. Als wir ihm erlaubten, mit dir zusammen zu schlafen, dachte Tim buchstäblich, er wäre gestorben und im Himmel. Er betont immer wieder, dass es das beste Geschenk war, das wir ihm je gemacht hätten.«
»Und auch wir haben uns in dich verliebt«, fügte Betsy hinzu. »Wie könnten wir uns auch nicht in einen jungen Mann verlieben, der unseren Sohn so glücklich macht?«
»Entschuldigung angenommen, aber das war völlig unnötig«, antwortete ich. »Was auch immer eure Motive waren, ihr hättet an diesem Wochenende nicht netter zu mir sein können. Oder auch danach.«
»Charlie, wir wissen, dass ihr keine Verpflichtungen eingehen wollt, bevor Tim 18 ist.
Weitere Kostenlose Bücher