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Timbuktu

Timbuktu

Titel: Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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zu behalten. An manchen Tagen redete er davon, als handele es sich um eine große Entdeckung, einen Durchbruch wie die Erfindung der Glühbirne, des Flugzeugs oder des Computerchips. Sie würden einen Haufen Geld damit scheffeln, zu Multimillionären werden und sich nie wieder um irgend etwas Sorgen machen müssen. An anderen wiederum, plötzlich verunsichert und voller Zweifel, brachte er Mr. Bones gegenüber derart pingelige und haarspalterische Argumente vor, daß der Hund sich um die Gesundheit seines Herrchens zu sorgen begann. Ginge es nicht vielleicht zu weit, so fragte Willy eines Abends, weibliche Gerüche in die Orchestrierung der Symphonien einzubeziehen?
    Würden solche Gerüche denn nicht bei dem Hund, der sie erschnüffelte, Lust wecken und somit die ästhetischen Absichten unterminieren, das Stück in Pornographie, in Schund für Hunde verwandeln? Und gleich darauf fing er wieder an, mit den Wörtern herumzuspielen, was immer geschah, wenn sein Hirn auf vollen Touren lief. »Lust ist kein Muß«, murmelte er vor sich hin und lief auf dem dreckigen Fußboden hin und her, »Lust ist Genuß, Schluß mit Verdruß«. Als Mr. Bones die Bedeutungsknoten entheddert hatte, meinte er Willy so zu verstehen, daß Gefühle vor Sex gingen, zumindest was die Symphonien betraf, und daß man, wenn man Hunden ein ästhetisches Vergnügen bereiten wollte, geistiges Verlangen vor das körperliche stellen mußte. Und so bekam Mr. Bones, nachdem er zwei volle Wochen lang seine Schnauze in mit dem Duft von läufigen Hündinnen getränkte Handtücher und Schwämme gesteckt hatte, ein völlig neues Instrumentarium präsentiert: Willy selbst mit all seinen verschiedenen Ausdünstungen. Dreckige Socken, Unterhemden, Schuhe, Taschentücher, Hosen, Schals, Hüte - alles, was nach seinem Herrchen roch. Mr. Bones hatte an diesen Dingen ebenso seine Freude wie an all den anderen. Denn er war nun mal ein Hund, und Hunde liebten es, alles zu beschnüffeln, was man ihnen zu beschnüffeln gab. Das lag in ihrer Natur, dazu waren sie geboren, es war, wie Willy so richtig bemerkt hatte, ihre Berufung. Dieses eine Mal war Mr. Bones froh, nicht sprechen zu können. Sonst hätte er Willy die Wahrheit sagen müssen, und das hätte ihm großen Kummer bereitet. Für einen Hund, hätte er gesagt, für einen Hund, liebes Herrchen, ist die ganze Welt eine Geruchssymphonie. Jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde seines Lebens stellt zugleich eine körperliche und eine geistige Erfahrung dar. Es gibt keinen Unterschied zwischen Innerem und Äußerem, nichts, was das Hohe vom Niederen trennt. Es ist, als ob, als ob...
    Gerade als Mr. Bones sich diese Rede im Geiste zurechtlegte, unterbrach ihn Willys Stimme. Verdammt, hörte er ihn sagen. Verdammt, verdammt und zugenäht. Er reckte den Kopf, um zu sehen, welchen Ärger es gab. Es hatte angefangen leicht zu tröpfeln, ein Nieselregen, der so schwach war, daß Mr. Bones ihn noch gar nicht auf seinem flauschigen Fell gespürt hatte. In Willys Bart jedoch glänzten kleine nasse Perlen, und das schwarze T-Shirt seines Herrchens hatte schon so viel Feuchtigkeit aufgesogen, daß sich ein feines Pünktchenmuster darauf abzeichnete. Das war nicht gut. Es fehlte noch, daß Willy jetzt naß wurde, aber wenn der Himmel von sich gab, was er schon die ganze Zeit auszuschütten drohte, würde genau das passieren. Mr. Bones musterte die Wolken. Wenn der Wind nicht plötzlich drehte, würde sich der gegenwärtige Nieselregen in einen ausgewachsenen, satten Schauer verwandeln. Verdammt, dachte er. Wie weit war es denn noch bis zur Calvert Street? Sie stolperten nun schon seit zwanzig, dreißig Minuten herum, aber Bea Swansons Haus war noch immer nicht in Sicht. Wenn sie nicht bald hinkamen, würden sie es nie schaffen. Sie würden es nie schaffen, weil Willy nicht mehr die Kraft dazu hatte.
    Daß sein Herrchen genau in diesem Augenblick in Gelächter ausbrechen würde, war angesichts ihrer Lage das letzte, womit Mr. Bones rechnete. Aber da war es, grummelte tief in seinem Bauch und brach hinaus in die Sonntagsstille: das altvertraute Ha. Einen Augenblick lang dachte er, daß Willy sich vielleicht nur räusperte, doch als dem ersten Ha ein zweites folgte, dann noch eins und noch eins, war nicht mehr an dem zu zweifeln, was seine Ohren ihm sagten.
    »Jetzt sieh sich das mal einer an, Kumpel«, sagte Willy mit seiner besten Cowboystimme. Sie war für besondere Gelegenheiten reserviert, und Willy setzte sie nur ein, wenn er

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