Time to Die - Stirb noch einmal
haben?”
“Ich sage ja nicht, dass es so ist”, versuchte sie der Mann zu beschwichtigen. “Aber vielleicht will er, dass wir das glauben. Vielleicht sollen wir denken, sie sei nicht immer eine so großherzige und selbstlose Frau gewesen, die sie jetzt ist.”
“Lexie war mal Journalistin, nicht wahr?”, fragte eine andere männliche Stimme. Eindeutig ein Amerikaner. “Sie hat doch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie damals in Gadi war, als Präsident Tum erschossen wurde. Wir kennen ihre Vergangenheit schon. Kein Grund, irgendwelche Abgründe zu vermuten.”
“Wenn die Polizei denkt, dass der Attentäter etwas mit Gadi zu tun hat, werden wir beide auf jeden Fall verhört werden, Robert”, gab der kleine Mann mit dem langen Zopf in seiner erstaunlich tiefen Stimme zu denken. “Und du vielleicht auch, Vega, obwohl du eine Frau bist. Du bist auch aus Gadi.” Er wandte sich an die junge Schwarze, die neben Toni stand.
Deke hörte Lexies Mitarbeitern noch eine ganze Weile unbemerkt zu, erfuhr jedoch relativ wenig, was für ihn von Interesse gewesen wäre. Sein Eindruck war, dass sie alle Lexie mochten und respektierten. Doch selbst wenn einer sie hasste, wäre er nicht dumm genug, dies den anderen gegenüber zuzugeben.
Plötzlich hörte er Lexies Stock irgendwo im Hintergrund leicht auf den Boden klopfen. Kurz darauf stand sie schon hinter ihm und tippte ihm auf die Schulter. “Was genau tust du da?”, wisperte sie.
Er drehte sich zu ihr um. “Ich warte auf dich”, antwortete er sanft.
“Du hast gelauscht.”
“Ich habe Informationen gesammelt.”
“Warum hast du mir nicht gesagt, dass meine Freunde da sind?”
“Ich wollte dir nur Zeit lassen, damit du in Ruhe duschen und dich fertig machen kannst.” Er sah sie an und stellte erneut fest, was für eine verdammt gut aussehende Frau sie doch war. Ihre Haare waren noch feucht, und sie hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Zu einem Paar ausgewaschener Jeans trug sie einen überweiten Kapuzenpulli und kein Make-up. So frisch und natürlich und doch so weiblich.
“Und? Hast du irgendwelche dunklen Geheimnisse aufdecken können?”, fragte sie mit etwas lauterer Stimme.
Bevor er antworten konnte, kam schon Toni Wells an die Tür. “Worüber streitet ihr beide euch denn?”
“Deke kann das Schnüffeln einfach nicht lassen.” Lexie nahm Toni in den Arm.
“Sie haben uns doch nicht etwa belauscht?”, fragte Toni mit einem amüsierten Lächeln auf ihren perfekten Lippen.
“So ähnlich" antwortete Deke. “Dafür werde ich schließlich bezahlt. Und damit ich mich als lebendes Schutzschild zwischen Miss Murrough und etwaige Angreifer werfe.”
Toni hob überrascht die Augenbrauen, reagierte jedoch gewohnt schlagfertig: “Wenn ich jemals Schutz benötigen sollte, bestehe ich darauf, dass es Ihr Körper ist, der zwischen mir und der Gefahr steht.”
“Also wirklich, Toni!” Lexies Tonfall klang, als wolle sie die Freundin in ihrem Übermut bremsen, aber ihr Lächeln feuerte sie eher an.
Kurzerhand hakte Toni sich bei Deke unter und führte ihn in die Bibliothek. “Kommen Sie und setzen Sie sich zu uns. Unsere Geheimnisse sind auch Ihre Geheimnisse.”
Deke mochte Toni. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand keinen Gefallen an ihrem attraktiven Äußeren und ihrer gewinnenden Persönlichkeit finden sollte. In der Bibliothek machte er sich dann aber von ihr los und begab sich in eine Ecke des Raumes, um das gesamte Zimmer und die Menschen, die sich hier versammelt hatten, im Blick zu haben. Die Atmosphäre in der Bibliothek wurde von einem großen Ölgemälde in einem Goldrahmen dominiert, das über dem Kaminsims hing und eine zierliche Frauengestalt mit herrlichem feuerrotem Haar zeigte. Audrey Bedell, Caras ältere Schwester. Dekes geübter Blick wanderte über das antike Mobiliar, die holzvertäfelten Wände und die hohen Bücherregale, bevor er an den drei Personen hängen blieb, die auf dem Sofa Platz genommen hatten: ein junger Mann, entweder afrikanischer oder afroamerikanischer Herkunft, eine mollige Blondine mittleren Alters und ein Typ im Anzug, der ihn durch seine dicken Brillengläser anblinzelte. Der hübsche junge Mann, der zuvor im Raum auf und ab gelaufen war, hatte sich inzwischen ebenfalls in einen Sessel gesetzt. Deke bemerkte, dass er ständig seine Handflächen aneinander rieb. War das Nervosität oder nur eine schlechte Angewohnheit? Die sechste Person war eine junge Schwarze mit dunklen
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