Time Travel Inc. - Fast Forward (Die Zeitreise Chroniken) (German Edition)
hatte die Neun-Milliarden-Grenze längst überschritten. Es hatte riesige Zu- und Abwanderungswellen gegeben, weil die Menschen versuchten, in die Teile der Welt zu gelangen, in denen das Leben noch erträglich war. Doch selbst in diesen betrug die durchschnittliche Temperatur noch um die 30 °C. John hatte Wochen gebraucht, um alle Zusammenhänge zu realisieren, und dabei beinahe den Verstand verloren. Die Zukunft, wie man sie sich im 21. Jahrhundert gerne vorgestellt hatte, gab es nicht. Die Zukunft war, in seinen Augen, ein Fiasko.
Zugegeben, es gab auch fantastische, unglaubliche Neuerungen und Technologien. Doch das wesentliche Merkmal dieser Zeit waren die Schattenseiten von Überbevölkerung, Klimawandel und Wirtschaftskrise.
Dass er es überhaupt bis nach Amerika geschafft hatte, grenzte an ein Wunder. John hatte ein Heidenglück gehabt, dass er wie immer ein paar Diamanten mit auf die Reise genommen hatte. Er hatte sie im Jahr 1922 verkaufen und Abby etwas Schönes schenken, eventuell das Haus modernisieren oder ihr mehr Sicherheit geben wollen. Doch dazu war es nie gekommen. Dafür waren die Diamanten in dieser Zeit um ein Vielfaches wertvoller. Der Goldpreis war um die Jahrhundertwende in die Höhe geschossen, nachdem alle Reserven erschöpft und alle Minen geschlossen waren. Dann hatte plötzlich eine Gruppe von Wissenschaftlern eine Methode entwickelt, Gold synthetisch herzustellen, und den Gold-Aktien damit den Todesstoß versetzt. Die Folge war eine finanzielle Katastrophe gewesen und natürlich eine totale Entwertung des Edelmetalls. Aber künstliche Diamanten interessierten, nach wie vor, niemanden. Hier war, glücklicherweise, noch immer das Original gefragt. Somit hatte John eine Sorge weniger geplagt. Auch wenn der Verkauf in dieser Zeit nicht ganz so einfach gewesen war wie früher, denn Geld gab es nicht mehr. John schüttelte stumm den Kopf und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Miles. Dieser war gerade dabei seine dritte Tasse Awako herunterzuschütten. Das nicht besonders appetitlich aussehende Getränk war der gegenwärtige Ersatz für Kaffee. Schmerzlich vermisste John den Duft und das Gefühl des echten Gebräus. Doch der Anbau von Kaffee war entweder nicht mehr möglich oder rentierte sich nicht. John wusste es nicht. Sie mussten bald los, zur Arbeit.
»Meinst du, wir können heute pünktlich Schluss machen?«, fragte John seinen Kumpel und ging nicht weiter auf das Thema Hitze ein.
»Keine Ahnung. Ich denke schon. Sind gestern ziemlich weit gekommen, also steht dem Feierabend eigentlich nichts im Weg. Wieso? Hast du wieder eine deiner geheimen Touren geplant?«
»Ich wollte nur mal ein wenig durch die Stadt ziehen. Mir alles ansehen, vielleicht ein paar neue Schuhe besorgen.«
Miles warf einen Blick auf Johns abgenutztes Schuhwerk und verstand. Die Dinger hatten ihren Zenit eindeutig überschritten. Sie hatten vorher Miles gehört und er hatte sie John überlassen. Es war Zeit, sie auszutauschen, aber diese Art Schuh war nicht preiswert zu bekommen. Sie waren für die Arbeit auf dem Bau gedacht. Keine Spezialanfertigung, aber auch nicht unbedingt billig.
»Vielleicht solltest du Masters fragen, ob es dafür einen Zuschuss gibt«, schlug er John vor.
Masters war ihr Vorarbeiter und ein ziemlich unfreundlicher Zeitgenosse. Er würde wahrscheinlich nur lachen, wenn John ihn wegen der Arbeitsschuhe ansprach.
»Ich will kein Aufsehen erregen. Werd mich selbst drum kümmern.«
So mies diese Zukunft auch war, Bauunternehmer konnten sich in diesen Zeiten eine "goldene Nase" verdienen. Es wurde überall gebaut. Unter der Erde und bis in den Himmel hinein. Die Menschen benötigten Platz. Viel Platz, und zwar möglichst zeitnah. Daher war es ein großes Glück gewesen, dass John, kurz nach seiner Ankunft im Jahr 2126, auf Miles getroffen war. Dieser war Mitarbeiter einer Baugesellschaft und wie schon viele Male zuvor gerade dabei, eine der in diesem Jahrhundert sehr beliebten vertikalen Farmen zu bauen. Dabei handelte es sich um die ideale Verbindung zwischen effizienter Viehhaltung auf engstem Raum und kurzer Lieferwege innerhalb einer großen Stadt. Die Rinder, Schweine, Hühner und Gänse wurden auf großen Terrassen, in schwindelerregender Höhe gehalten und auch im selben Gebäude geschlachtet. Die Firma, für die Miles arbeitete, nahm Aufträge in der ganzen Welt entgegen und so kam es, dass Miles mitten in Rio auf John traf, welcher seine Abende auffällig orientierungslos
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