Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
einem chaotischen Haufen vor seinen Füßen.
Er starrte sie an, als hätte sie zwei Köpfe auf ihren Schultern. Mit brechender Stimme fragte er: »Die Hieroglyphen, sind sie entschlüsselt worden? Kann man sie lesen?«
Chloe zog die Stirn in Falten. »Natürlich.«
»Wer hat die Formel erstellt?«
»Ein Kerl namens …« Sie biß sich vor Konzentration auf die Lippen, während sie sich den Namen ins Gedächtnis zu rufen versuchte, den sie so oft aus Cammys Mund gehört hatte und der in so vielen ihrer Bücher aufgetaucht war.
»Haii?« Aus Cheftus Gesicht sprach gespannte Erwartung.
Chloe schnippte mit den Fingern. »Champignon … nein, warte, aber so ähnlich. Ähhm …«
Cheftu stand auf und trat mit eckigen Bewegungen ans Fenster. »Champollion?« fragte er monoton.
»Genau. Der.«
»Il l’a découvert sans moi«, stellte er verärgert fest.
Er blickte in die schwarze Nacht, die Arme auf den Fensterrahmen gestützt.
Chloe verharrte wie versteinert, während sich in ihrem Kopf alles zu drehen begann. Wer hatte was ohne ihn entdeckt? Aber was noch wichtiger war – er war wie sie! Er wußte, wie es war, wenn man ohne jede Vorwarnung von allem weggerissen wird! Da er nach wie vor hier war, hatte er offenbar keinen Rückweg gefunden. Sie starrte auf seinen bronzefarbenen Rücken und versuchte, sich an diese Erkenntnis zu gewöhnen. Achtzehnhundertsechs … Er war über hundertfünfzig Jahre älter als sie, aber gleichzeitig auch gleich alt mit ihr.
Es war tröstlich, daß der Mann, den sie liebte, keiner völlig fremden Rasse und Mentalität angehörte. Er war Europäer … auch wenn sie nichts über ihn wußte, nicht einmal, wie lange er bereits hier war. Sie sah ihn an und begriff, daß sie Cheftu ungeachtet seines Alters, seiner Nationalität oder seines Namens liebte. Nicht dafür, woher er stammte, sondern dafür, was er war, welches Risiko er einging, wie sehr er sich um andere Menschen kümmerte. Was für Gefühle er in ihr weckte.
Sie trat neben seine reglose Gestalt. Dann nahm sie seinen Arm und führte ihn zur Liege. »Setz dich, geliebter Bruder«, sagte sie mit einem Blick in seine ausdruckslosen, ratlosen Augen. Was war los mit ihm? Hatte er eine Art Schock? Leise ägyptisch auf ihn einredend, drückte sie ihn auf die Liege nieder und fragte sich zugleich, was sie tun sollte, falls er tatsächlich krank wurde. Er starrte mit leeren Augen an die Decke.
»Cheftu, Cheftu, erwache, begrüße die Nacht, begrüße RaEmhetepet«, sagte sie. Keine Reaktion. Sie nahm seinen Puls. Er raste, und Cheftus Atem ging in kleinen, tierähnlichen Stößen. Was hatte ihn nur so mitgenommen? Daß Napoleon den Krieg verloren hatte? Daß jemand anderer den Schlüssel zu den Hieroglyphen entdeckt hatte? Was tat das hier und jetzt zur Sache?
Sie hob den neben der Liege stehenden Weinkrug auf und sprenkelte etwas Wein auf sein Gesicht. Er blinzelte nicht einmal. Sie klatschte ihm Wasser ins Gesicht. Niente.
Vor Reue auf der Unterlippe kauend, versetzte sie ihm eine Ohrfeige. Er reagierte nicht, er zuckte nicht einmal. Sie sank auf den Stuhl, dachte nach und bekam allmählich Angst. Wieso war er so ausgeflippt? Zu guter Letzt brüllte sie ihn auf französisch an »François, François, wach auf, Champollion schafft es ohne dich!«
Augenblicklich war er hellwach, fluchend und schimpfend, doch mit wirrem Blick. Chloe packte ihn am Arm, um ihn zu besänftigen, und er riß sie an sich, vor Zorn knurrend und verloren in seiner ganz eigenen Welt. So aufgewühlt, daß er zitterte, preßte er sie mit dem Rücken gegen die Wand, küßte sie, bis ihre Lippen schmerzten, und erfüllte sie mit seiner dämonischen Energie. Seine Hände drückten sie an seinen Leib, gegen seine Nacktheit und seine Kraft war unmöglich anzukommen.
Chloe wartete, bis er Luft holen mußte, dann rannte sie los. Noch ehe sie zwei Schritte weit gekommen war, hatte er sie eingeholt und riß sie rücklings gegen seine Brust. Ihre verzweifelten Versuche, ihm davonzulaufen, erzürnten ihn noch mehr, und dann spürte sie seine Hitze und seine Härte in ihrem Rükken.
In heiserem Französisch verfluchte er jemanden dafür, daß er ihn betrogen habe, daß er nicht an ihn geglaubt habe, daß er nicht auf ihn gewartet habe. Er schien zu glauben, sie sei ein Werkzeug desjenigen, der ihn so hintergangen hatte, und röchelte ihr ins Ohr, was für ein Vergnügen es ihm bereiten würde, Rache zu nehmen. Chloe wehrte sich nach Kräften, doch er drückte sie an
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