Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
aber stehen, als er die Rufe aus Pharaos Armee hinter sich hörte. In panischer Angst fuhr er herum und bemerkte eine Felsspalte in den Klippen entlang der Küste. Er erreichte sie eben noch, ehe Pharaos Armee den Berghang heruntergedonnert kam und vor dem Wasser haltmachte.
»Wir folgen ihnen!« hörte er Hatschepsuts schneidenden Befehl. »Sie werden mit ihrem Blut für den Schaden bezahlen, den sie unserem Land zugefügt haben! Seht nur! Selbst die Götter des Roten Meeres erkennen unser Recht auf Rache an!«
Cheftu wagte einen Blick zum Meer hin. Hat stand allein in ihrem Streitwagen, an dessen goldenen Speichen sich ebenso wie in ihrem goldenen Brustpanzer die Sonne brach. Sie gab ihren Hengsten die Peitsche und ließ sie losgaloppieren, bis der Wagen zu schaukeln und springen begann, und sie die Pferde nur noch mit äußerster Kraft lenken konnte.
Die Soldaten waren eine Elite-Einheit aus Pharaos ausgewählten Truppen. Auf jedem Arm prangte die WadjetTätowierung. Ihm wurde übel, als er dicht hinter Hat den Kommandanten Ameni entdeckte. Mit lautem Kampfgeschrei drängten sie ins Meer. Wie gelähmt sah Cheftu ihnen zu. Er wußte , was geschehen würde. Genau aus diesem Grund konnte er es nicht unversehrt ans andere Ufer zu Chloe schaffen.
Die Stämme hatten fast das gesamte Meer durchschritten. Cheftu beobachtete, wie die Armee aufholte und die kleinen Gestalten, nicht mehr als Farbtupfer, schneller liefen, jedoch ohne den besten Pferden und Streitwagen der Welt entrinnen zu können. In Cheftus Bauch krampfte sich alles zusammen, als er feststellte, daß inzwischen die gesamte Streitmacht – viertausend Soldaten und sechshundert Streitwagen – auf ihrem Weg durch das Meer war.
Dann stürzten die Wasserwände ein. Sie krachten mit solcher Wucht nach unten, daß ihm die Ohren dröhnten. Cheftu lief ans Ufer und hielt vergeblich Ausschau, während sich vor seinen Augen wiehernde Pferde aufbäumten, deren Angstschrei sich mit den entsetzten Rufen der Männer mischte, die vergeblich gegen die Wassermassen anzukämpfen versuchten. Für einen winzigen Moment traf sein Blick auf Hats; die schwarze Wildheit ihrer Augen grub sich tief in sein Gedächtnis ein, bevor sie von den donnernden Wogen verschlungen wurde.
Innerhalb weniger Sekunden stand Cheftu knietief im Wasser. Eilig kletterte er auf die Felsen zurück, ängstlich bemüht, auf höheres Gelände zu gelangen. Die Angst zuckte und wand sich in seiner Magengrube wie etwas Lebendiges und fachte den Widerwillen gegen diesen so erhabenen Gott der Hebräer an – und gegen seinen eigenen Glauben. Schließlich hockte er in einer Felsspalte hoch über dem Meer.
Das tosende Wasser war voller Köpfe und Arme und Hände, die sich irgendwo festzuklammern versuchten. Die Schreie gingen im Klatschen der Wogen unter. Er stand auf, denn er suchte nach Hatschepsuts Streitwagen – und entdeckte ihn. Er dümpelte seitlich im weißschäumenden Wasser, und über einem Rad hing Hats Leiche, auf einer goldenen Radnabe gepfählt, das Gesicht eine Fratze des Hasses. Sie würde nicht mehr ewig leben …
Ägypten war tot.
In Cheftu rang der Ägypter mit dem Franzosen. Er spürte dieselbe Trauer, die der wahre Cheftu gespürt hätte, doch er empfand sie wie durch ein Prisma. Das Wissen, daß Gott wahrhaftig die Israeliten gerettet hatte, so wie es in den Büchern der Sonntagsschule gestanden hatte, stritt mit dem Bewußtsein, Hatschepsuts Leiche nicht bergen zu können, damit sie würdig bestattet werden konnte.
Die Götter würden sie vergessen, obwohl sie den beiden Ländern solchen Wohlstand und Frieden gebracht hatte. Einen Moment mußte er an die Gefährtin denken, der er seit so vielen Jahren vertraut hatte, die er respektiert und aus der Ferne geliebt hatte. Sie hatte ihn angezogen: mit ihrer Stärke, ihrer Entschlossenheit zum Frieden, ihrem Wunsch, das Land zu verschönern und den Göttern zu neuem Glanz zu verhelfen. Cheftu mußte an die Festmahle denken, bei denen sie zusammengesessen hatten, an die Lieder, die sie gemeinsam gesungen hatten, wenn sie nicht in Waset geweilt hatten, und immer wieder an die Goldene Göttin, die jedem gegenüber hatte Gnade walten lassen, bis sie an ihrer eigenen Paranoia zugrunde gegangen war.
Er fühlte sich leer; er hatte einen Anker im Leben verloren. Wer er war und was er tat, hatte er zum großen Teil ihr zu verdanken. Er hatte sie geliebt und war ihr bis fast zum Schluß treu gefolgt. Sand flog ihm ins Gesicht, als er über
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