Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
dem Fragen anfangen soll.«
Es war dunkel. Nachdem sie damit beschäftigt gewesen waren, ein Lager aufzuschlagen, etwas zu essen und den Esel zu füttern, lehnten sie aneinander, Cheftu mit ausgestrecktem Bein.
Das Lärmen des kleinen grauen Reittiers weckte Cheftu, der blitzartig hochschoß, das Messer dicht am Körper. Mit einem Satz kam ein knurrendes Tier aus der Dunkelheit auf sie zugeflogen und landete neben Chloe. Cheftu, das gezückte Messer zum Zustechen bereit, erkannte Thief gerade noch rechtzeitig. Er humpelte zu dem Esel hinüber, der ängstlich die Augen rollend an seiner Leine riß, und versuchte, ihn zu beruhigen. Bis dahin hatte Chloe den jungen Löwen überzeugt, von ihrem Bauch herunterzugehen, und er schnüffelte bereits an den vom Abendessen übriggebliebenen Knochen.
Cheftu fuhr sich mit der Hand über das von Mücken zerstochene Gesicht. Schon konnte er das hellere Blau der Morgendämmerung heraufziehen sehen. Sie hatten einen derartigen Lärm veranstaltet, daß er jeden Moment damit rechnete, in einem Pfeilhagel zu stehen. Thief stieß gegen sein Bein, und er stöhnte unter den hindurchschießenden Schmerzen. Bunte Punkte tanzten vor seinen Augen, und er stellte überrascht fest, daß er wieder saß. Thief, der eine ordentliche Rüge kassiert hatte, diente ihm als Kissen. Chloe reichte Cheftu Wasser und Datteln. Die Parfümierung wie er annahm.
»Und jetzt?« fragte sie.
»Gehen wir.«
»Gut.«
Sie standen auf, Cheftu mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Muß das neu verbunden werden?«
»Nein. Paß nur auf, daß diese Riesenkatze nicht wieder hinkommt. In Ordnung?«
FÜNFTER TEIL
18. KAPITEL
Der Mond stand als Sichel über ihnen, und Chloe mummelte sich bibbernd fester in ihren Umhang. Thief trieb sich irgendwo in den Dünen herum, und Cheftu malte aus dem Gedächtnis die Landkarte in den Sand. Wie er so in den Himmel blickte, war er der Fleisch gewordene Traum jeder Frau: die schlanken, muskulösen Umrisse seines Leibes von silbrigem Licht umflossen, während die langen Wimpern eckige Schatten über seine Wangenknochen legten. Sein Haar war zwar lang und zu einem Pferdeschwanz gebunden, doch er war rasiert.
Chloe seufzte. Seit über dreißig Tagen hatten sie einander nicht mehr berührt – aber wer zählte schon mit? Sie hatten Glück gehabt; die Karawane, der sie sich angeschlossen hatten, zog in Richtung Waset und von dort aus weiter südlich nach Kush. Unglücklicherweise gehörten die Nomaden einer eigenartigen religiösen Sekte an, bei der Frauen und Männer vollkommen getrennt lebten, und dasselbe wurde als Gegenleistung für das Mitreisen auch von Chloe und Cheftu erwartet. Das Laufen hatte Cheftus Bein gutgetan; man merkte kaum mehr, daß er hinkte. Endlich waren sie in Waset angekommen, und Cheftu hatte ihnen Reitesel zu einem Rekkit-Feld besorgt. Von dort aus waren sie gewandert.
Daß sie in der Karawane mit niemandem reden konnte, hatte sie fatal an die Zeit nach ihrer Ankunft im alten Ägypten erinnert. Niemand verstand das Hochägyptisch, das sie sprach. Noch nie hatte Chloe in so kurzer Zeit so viele Werke produziert. Die anderen Frauen verbrachten die meiste Zeit mit ihren Kindern. Chloe hatte ihre mitleidigen Blicke bemerkt, denn vermutlich hielten die anderen sie für eine alternde Jungfer. Das schlimmste war aber daß der Abstand zwischen ihr und Cheftu nicht mehr nur physischer Natur zu sein schien. Sie hätten Fremde sein können. Thief, der anfangs alle Tiere in Angst und Schrecken versetzt hatte, hielt seither mehr Distanz. Und den Esel hatten sie zum Dank zurückgelassen.
Einen Monat lang hatte Cheftu kaum ein Wort mit ihr gewechselt, und ihr war die Fähigkeit abhanden gekommen, in seinen Augen zu lesen. Mangelnde Praxis, dachte sie. Also hatte sie gezeichnet … und jene Erinnerungen zu Papyrus gebracht, die sie am Tag verfolgten und ihre Nächte erfüllten: das Meer, die Soldaten, die Lager, das Feuer, die Wolke und das Passahopfer.
Es war ihr sogar gelungen, eine akkurate Wiedergabe des Spektrums verschiedener Todesarten auf Papyrus zu bannen. Doch diese Zeichnung war auf gespenstische Weise ins Feuer geweht worden und dort in Flammen aufgegangen. Das Erlebnis verunsicherte Chloe so tief, daß sie sich daraufhin auf die Darstellung von Straßen und des Himmels beschränkte. Insgesamt hatte sie fünfzehn Bilder geschaffen … mehr, als Cammy ihrer Erinnerung nach erwähnt hatte, doch schließlich würden Staub, Ratten und die Zeit einiges für sich
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