Timeless: Roman (German Edition)
Georges Hals und zog ihn an sich. Sie küssten sich zärtlich.
Sie hat ihn wirklich geliebt , erkannte Michele überrascht.
Dann löste sich George sanft von ihr und griff in seine Manteltasche. »Ein Geschenk für dich«, sagte er und reichte es ihr, scheu wie ein Schuljunge.
»George!« Alanna strahlte ihn an und öffnete dann behutsam die Schachtel.
George stand hinter ihr, die Hände auf ihren Schultern.
»Ein Medaillon«, rief Alanna voller Freude. »Es ist so schön. Aber George, das hättest du nicht tun sollen.«
»Wollte ich aber«, erwiderte George und zog sie wieder an sich, um sie erneut zu küssen. »Ich wünschte mir nur …«
»Liebling«, fragte Alanna, »was wünschst du dir?«
George schwieg einen Augenblick lang. Als er dann wieder sprach, war seine Stimme rau. »Ich wünsche mir nur, du könntest unser Bild in das Medaillon tun, ohne Angst haben zu müssen, dass es jemand herausfindet.«
Alanna nickte, lehnte sich gegen George und flüsterte ihm etwas zu, das Michele nicht verstehen konnte. Dann zog sie eine Taschenuhr aus ihrer Rocktasche und seufzte tief. »Es ist fast fünf. Henrietta wird jeden Augenblick zurückkehren. Wir müssen gehen.« Sie blickte zu ihm auf, Verzweiflung im Blick. »Warum sind wir uns bloß nicht früher begegnet?«
George nahm ihre Hand und legte sie auf seine Wange. »Es ist noch nicht zu spät für uns«, befand er inbrünstig. »Wir werden einen Weg finden, zusammen zu sein.«
Alanna schüttelte den Kopf und trocknete ihre Tränen. »Du weißt genau, dass du sie nicht verlassen kannst, denn dann würdest du deine Kinder nie wiedersehen. Nein, wir müssen es irgendwie ertragen.«
»Ich kann nicht ohne dich sein«, sagte er mit brüchiger Stimme.
Alanna schüttelte den Kopf, verbarg den Kopf an Georges Schulter und schluchzte. Und plötzlich wünschte sich Michele nichts sehnlicher, als fern von dieser schmerzhaften Szene zu sein. Sie schloss die Augen, umfasste den Schlüssel an ihrer Kette und bat darum, nach Hause zurückkehren zu dürfen.
Michele öffnete die Augen und sah, dass sie wieder in ihrer eigenen Zeit war. Mit dem Foto und Lilys Kompositionen in der Hand lief sie hinunter in ihr Zimmer. Sie musste zu Clara zurückkehren.
Sie verstaute Lilys Kompositionsheft in ihrem Schreibtisch, griff nach Claras Tagebuch und öffnete es beim dritten Eintrag: 1. November 1910. Ohne auch nur einen Blick auf den ersten Satz zu werfen, hielt Michele Tagebuch, Foto und Schlüssel fest umklammert. Nach wenigen Sekunden begann sich wieder alles zu drehen, und sie kehrte zum 1. November 1910 zurück. Clara lag im Bett und war in ein Buch vertieft.
»Michele!«, rief Clara, als sie auftauchte, und schwang sich aus dem Bett, um sie zu umarmen. »Ich bin ja so froh, dass du zurück bist.«
»Ich auch. Hab ich etwas verpasst?«, wollte Michele wissen.
»Sehr wenig«, erwiderte Clara. »Ich habe fast die ganze Zeit in diesem Zimmer verbracht und bin der Familie aus dem Weg gegangen – vor allem Mr. Windsor.«
»Deswegen bin ich hier«, bemerkte Michele und reichte ihr das Foto. »Ich hab das hier im Dachgeschoss unter George Windsors Sachen gefunden.«
Als Clara begriff, was sie auf dem Bild sah, wurde ihr Gesicht aschfahl.
»Du musst mit deinem Dad reden«, drängte Michele sie. »Deine Mutter hat ihm das Foto geschenkt. Ihre Gefühle für ihn waren echt. Du musst herausfinden, was wirklich zwischen deinen Eltern geschah.«
Clara nickte bedächtig. »Kommst du mit?«
»Klar!«
Nervös griff Clara nach Micheles Hand, als sie die Treppe zu George Windsors Arbeitszimmer hinuntergingen. Clara klopfte an.
»Herein«, rief George.
Clara betrat den Raum, und George wurde blass, als er sie sah. Eine Ewigkeit lang betrachtete er sie schweigend. »Bitte, erzähl mir, was geschehen ist … zwischen dir und Mutter«, brach Clara schließlich das Schweigen.
George zögerte. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte er und mied ihren Blick.
Clara knallte das Foto auf seinen Schreibtisch. »Warum hast du mich angelogen?«, fragte sie scharf.
Entsetzt starrte George das Foto an. Er blickte zu Clara hoch, öffnete und schloss den Mund, als wisse er nicht, was er sagen solle. Als er schließlich zu sprechen begann, klang seine Stimme brüchig und um Jahre älter. »Es tut mir so leid … mein Kind«, sagte er mühsam atmend. »Ich wollte dich nie und nimmer enttäuschen. Ich konnte nur den Gedanken nicht ertragen, dass du Geringschätzung für deine Mutter
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