Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
die Morgenglocke läuten würde. Michele lief eilig an ihnen vorbei, und ihr Herz schlug immer schneller, während sie in der Menge nach Philip suchte.
Als sie im Klassenzimmer für Amerikanische Geschichte ankam, entdeckte sie ihn sofort am anderen Ende des Raums. Als hätte er ihre Gegenwart gespürt, sah er von seinem Tisch auf, und ihre Blicke trafen sich. Michele klammerte sich am Türrahmen fest; es war noch immer ein Schock für sie, dass er hier war. Ihr ganzer Körper reagierte auf ihn, und zwar so übermächtig, dass sie es einfach nicht kontrollieren konnte – weder den Schwindel im Kopf noch das mulmige Gefühl in ihrem Magen. Aus Erfahrung wusste sie, dass es nur ein Mittel dagegen gab: Philip musste sie in die Arme schließen und küssen. Doch als er den Blickkontakt abbrach und sich wieder dem Schulbuch auf seinem Tisch zuwandte, kam sich Michele nur noch wie irgendein verliebtes Mädchen vor, das sich danach sehnt, von dem Jungen beachtet zu werden. Es war ein so himmelschreiender Unterschied zu dem Philip, der sein ganzes Leben lang auf sie gewartet hatte. Michele schluckte schwer und ging mit gesenktem Blick zu ihrem Platz.
***
Beim Mittagessen saß Michele mit Caissie und Matt an ihrem üblichen Tisch im Speisesaal, doch sie schwieg die meiste Zeit, während ihre Freunde miteinander herumalberten. Immer wieder glitt ihr Blick zu dem Tisch hinüber, an dem nur Philip und Kaya Morgan saßen und sich noch vertrauter verhielten als am Vortag. Sie konnte die Unterhaltung nicht hören, sah jedoch, dass Kaya angeregt plauderte, während Philip lächelnd nickte.
»Man könnte meinen, der Neue hätte Superkräfte, so wie die Mädels seinetwegen ausflippen«, war Matts wenig hilfreicher Kommentar, als er Micheles Blick folgte. »Du etwa auch?«
Michele sah keinen Anlass, Matt anzulügen. »Er hat was«, räumte sie ein.
»Was ist mit Ben? Gehst du nicht mit ihm zu dem Ball?«, fragte Matt.
Michele fuhr zusammen. Über die Verrücktheit der letzten beiden Tage hatte sie völlig vergessen, dass sie Ben zugesagt hatte, als dieser sie zum jährlichen Herbstball der Schule eingeladen hatte. Und der fand diesen Samstag statt. Für Ben schien es okay zu sein, dass sie nur als Freunde hingingen, auch wenn er deutlich gemacht hatte, dass er mehr für sie empfand. Doch sie konnte sich nicht vorstellen, den ganzen Abend mit Ben zu tanzen, wenn Philip im gleichen Raum war. Als hätte sie Micheles Gedanken gelesen, warf Caissie ihr einen scharfen Blick zu.
»Du wirst Ben jetzt keinen Korb geben«, sagte sie, und obwohl sie den Mund voll Salat hatte, klang ihre Stimme streng.
»Das würde ich nie tun!«, sagte Michele entrüstet. »Es ist nur …«
Doch sie brachte den Satz nicht zu Ende, denn in diesem Moment lachte Kaya kokett auf und drückte Philips Hand, während dieser sie breit angrinste.
»Keine Sorge. Ich kann mich glücklich schätzen, mit Ben hinzugehen.« Michele atmete tief durch. Es wird schon gut. Er geht nur so vertraut mit ihr um, weil er sie als Einzige an dieser Schule kennt. Sie wandte sich wieder ihren Freunden zu und suchte angestrengt nach einem anderen Thema. »Seid ihr zu Thanksgiving hier?«
Während Caissie und Matt einhellig darüber klagten, wie sie die Feiertage zwischen ihren geschiedenen Eltern aufteilen sollten, drehte Michele ihren Stuhl unauffällig ein Stück zur Seite, damit Philip und Kaya nicht mehr direkt in ihrem Blickfeld saßen. Gut zehn Minuten lang schaffte sie es, ihn nicht anzusehen, bis die beiden aufstanden und gingen. In diesem Moment sah Michele, wie sich mitten im Speisesaal aus einer Art Nebel eine verschleierte Gestalt materialisierte – Rebecca. Das Bild flimmerte wie das eines Geists, aber Michele konnte erkennen, dass die Gestalt Philip genau beobachtete. Was kann Rebecca von ihm wollen?
»Ähm, Michele? Was machst du da?«
Benommen wandte Michele den Blick ihren Freunden zu, die sie irritiert ansahen. Ihr wurde bewusst, dass sie bei Rebeccas Anblick aufgestanden war – was für Caissie und Matt ausgesehen haben musste, als hätte sie das nur getan, um Philip und Kaya unverhohlen anzustarren.
»Ich, äh, ich dachte, ich hätte jemanden aus Kalifornien gesehen«, schwindelte Michele errötend und setzte sich wieder hin.
Der dunkle Nebel mitsamt Rebecca löste sich ebenso schnell in Luft auf, wie er gekommen war, und Michele seufzte erleichtert auf. Philip war in Sicherheit … für den Moment. Sie würde dafür sorgen müssen, dass es so
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