Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
Mensch mehr ist, sondern ein alterswechselnder Geist, der sich nach Belieben in Luft auflösen kann. Der Tod und die Macht von Millicents Schlüssel haben Rebecca beinahe unbesiegbar gemacht. Deshalb erzähle ich dir alles, was ich weiß – denn du musst dich stets schützen und auf der Hut sein. Trage deinen Schlüssel immer bei dir und benutze ihn unverzüglich, wenn du in Gefahr gerätst.«
»Morgen ist der siebte Tag, den sie in meiner Zeit verbringt. Also wird sie morgen stark genug sein, um … um mich zu töten, richtig?«
»Sie ist die vollen sieben Tage geblieben?« Idas Gesicht wurde aschfahl. »Ich fürchte, dir bleibt nichts anderes übrig, als zu kämpfen. Da dein Vater unsere Gesetze gebro chen hat, seid ihr beide keine rechtmäßigen Mitglieder der Gesellschaft, und ich fürchte, wir können dir keinen Schutz bieten. Aber du kannst deinen Schlüssel benutzen, um sie zu überlisten. Wenn du sie in deiner Gegenwart besiegen kannst, wird sie nie wieder dorthin zurückkehren können.«
Die Uhr schlug, und Ida stand auf. Das Gespräch war beendet.
»Warte!«, rief Michele. »Eines muss ich noch wissen – was ist so schlimm daran, das Kind von Eltern aus verschiedenen Zeiten zu sein? Warum ist es gegen das Gesetz? Was wird mit mir passieren?«
Ida zögerte, bevor sie antwortete. »Es ist wider die Natur, wider die Gesetze der Zeit, dass ein Kind in einem Jahrhundert lebt und aufwächst, wenn ein Elternteil aus einem anderen Jahrhundert stammt. Darf ich dich fragen, ob dir schon mal aufgefallen ist, dass du gegen deinen Wil len durch die Zeit gereist bist? Bist du in die Gegenwart zurückgeworfen worden, wenn du eigentlich in der Vergangenheit bleiben wolltest – oder umgekehrt?«
Michele schluckte schwer. »Ja. Das ist einige Male passiert.«
»Das ist die Anziehungskraft deines Körpers, die dich in die Vergangenheit ziehen will, in die du zur Hälfte gehörst. Wir haben das bei einigen anderen zweizeitigen Kindern beobachtet. Normalerweise beginnt es mit dem Erwachsenenalter, sie spalten sich nach und nach zwischen der Zeit ihres Vaters und der ihrer Mutter auf und werden gegen ihren Willen von einer Epoche in die andere gerissen.« Ida sah sie traurig an. »Du könntest also den schönsten Tag deines Lebens im 21. Jahrhundert erleben, nur um für unbestimmte Zeit hundert Jahre in die Vergangenheit katapultiert zu werden. Das kann einen wahnsinnig machen – und macht es unmöglich, ein normales Leben zu führen.«
Verzweifelt schüttelte Michele den Kopf. »Nein. Nein, das wird mir nicht passieren. Ich kann keine solche Gefangene der Zeit sein. Es muss eine Ausnahme geben. Ich muss diese Ausnahme sein. Ich darf nicht in der Vergangenheit festhängen, wo ich jetzt endlich …«, sie brach mitten im Satz ab, denn noch war sie nicht bereit, über Philip zu sprechen.
»Millicent hat immer gesagt, an jedem Hindernis führt ein Weg vorbei«, erzählte Ida. »In diesem Fall … wirst du diesen Weg selbst finden müssen.«
»Was hat es mit 1904 auf sich?«, fragte Michele. »Als ich die letzten Male unabsichtlich in die Vergangenheit gereist bin, war ich im Jahr 1904.«
»Du bist sechzehn, richtig?« Als Michele nickte, fuhr Ida fort: »Dein Vater ist Anfang 1888 in die Zukunft gereist. Wärst du in der Zeit deines Vaters zur Welt gekommen, wärst du 1904 sechzehn Jahre alt gewesen. Also findet die Aufspaltung bereits statt.« Ida sah sie mitfühlend an. »Du hast jetzt zwei Zeitstränge, einen als Sechzehnjährige im 21. Jahrhundert … und einen als Sechzehnjährige im Jahr 1904.«
Michele schüttelte entgeistert den Kopf.
»Und wenn … und wenn ich ohne Schlüssel reisen könnte?« Sie versuchte sich an den letzten Strohhalm zu klammern. »Was wäre dann?«
Ida verharrte mitten in der Bewegung und sah verblüfft zu Michele auf. »Das würde ich zu gern sehen.«
Zu wem gehöre ich?
Wer gehört zu mir in dieser Zeit?
Liebeslieder trügen mich,
Doch des Unfriedens Schlüssel hat mich befreit.
Drum fülle ich die Welt mit neuen Dingen,
Die meinem Schöpfergeist entspringen.
Zu wem gehöre ich?
Und wer gehört zu mir?
Wenn ich in mich geh’, wen werd ich finden?
Ich will das Gestern und Heut’ überwinden
und mich dem Morgen anvertrau’n.
Zu wem gehöre ich?
Der mir den Schlüssel hinterließ.
Nun ist für mich der Zeitpunkt da,
Der zu werden, den er in mir sah.
Den er in mir sah.
– IRVING HENRY,
5. FEBRUAR 1991
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Tagebuch von Irving Henry
I ch bin bereit«, flüstere
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