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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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hatten, hörten auch sie mit dem Wetten
    auf.
    Nun hoffte die Stiefmutter, Timm werde wieder Geschmack an
    den Pferderennen finden, wenn er in ein Wettbüro als Lehrling
    einträte. Sie hatte sogar schon Verhandlungen mit dem reichsten
    Wettunternehmer der Stadt geführt. Aber Timm trotzte ihr und sagte, er wolle zur See fahren und nichts mehr mit Pferdewetten zu tun
    haben.
    Eines Tages – Timm war seit ein paar Tagen aus der Schule
    entlassen – fing die Stiefmutter auf die bekannte Art wieder einmal von Timms zukünftigem Beruf zu reden an: „Nun
    bistekeinkindmehr, Timm! Und irgendwasmußte dochnunan –
    fangen! Indemwettbüro kannstemit deinengabennochmal
    einreichermannwerden, Timm! Ichwilljanurdein Bestesjunge!
    Ichdenknichan mich! Ichdenkdochnur an dich!“
    „Ich gehe aber nicht in ein Wettbüro. Ich will zur See fahren!“
    sagte Timm.
    Nun wurde die Stiefmutter erst ärgerlich, dann zornig und am
    Ende rührselig. Sie fing wie gewöhnlich an zu weinen und rief, er wolle sie alleinlassen, damit sie im Alter kein Geld mehr habe und betteln müsse, und er wolle sie und seinen Bruder Erwin ins Unglück stürzen und allein ein reicher Mann werden, und überhaupt habe er nie ein Herz für die Familie gehabt. Er könne ja nicht einmal mehr lachen!
    Die letzte Bemerkung traf Timm schwerer, als die Stiefmutter
    ahnte. Das Blut schoß ihm in den Kopf. Er wäre am liebsten
    davongerannt. Aber seit er sein Lachen verloren hatte, hatte er so sehr an Selbstbeherrschung gewonnen, daß es für einen Jungen in
    seinem Alter beängstigend war. Auch diesmal konnte er sich so
    beherrschen, daß die Stiefmutter von seiner Erregung nichts
    bemerkte außer der Röte im Gesicht.
    „Gib mir am nächsten Sonntag ebenso viel Geld wie damals, als
    ich zuletzt wettete“, sagte er. „Ich werde wahrscheinlich viel
    gewinnen.“
    Ehe die Stiefmutter zugestimmt hatte, verließ Timm die
    Wohnung, rannte an den Fluß, setzte sich auf eine abgelegene
    Uferbank und versuchte, seiner Erregung Herr zu werden. Aber
    diesmal gelang es ihm nicht. Er weinte. Und weil er nicht weinen
    wollte, schüttelte ihn das Schluchzen umso schlimmer, bis er sich endlich seiner Verzweiflung überließ. Da hörte das Weinen und
    Geschütteltwerden nach und nach auf, und nun fing dieser
    vierzehnjährige Junge kühl und ruhig an, über seine Zukunft
    nachzudenken.
    Er beschloß, am folgenden Sonntag wieder auf einen Außenseiter
    zu setzen und viel Geld zu gewinnen. Das Geld sollte die Stiefmutter bekommen, und dann wollte er sie und Erwin verlassen und einfach
    davonlaufen. Vielleicht würde er Schiffsjunge werden, vielleicht
    etwas anderes. Um das Geld brauchte er sich keine Sorgen zu
    machen. Wetten kann man überall. Am Reichsein – das wußte er
    jetzt – hatte er ohnedies keinen Spaß. Er hatte sein Lachen verkauft für etwas, was er gar nicht brauchte.
    Und nun beschloß der Junge auf der Uferbank am Fluß etwas viel
    Wichtigeres: Er wollte sein Lachen zurückgewinnen. Er wollte
    seinem Lachen nachlaufen. Er wollte Herrn Lefuet suchen, wo
    immer auf der Welt er sein mochte.
    Es wäre gut gewesen, wenn Timm irgendeinen Menschen gehabt
    hätte, meinetwegen einen betrunkenen Kutscher oder einen halb
    verrückten Landstreicher, dem er von seinem Entschluß hätte
    erzählen können. Die schwierigsten Dinge können einfach werden,
    wenn man mit einem anderen Mensehen darüber spricht. Aber Timm
    durfte nicht darüber sprechen. Er mußte sich zuschließen wie eine Auster. Ein Stück Papier, das jetzt im doppelten Boden der Standuhr lag, machte ihn zum einsamsten und zum traurigsten Jungen, den die Sonne beschien.
    Timm war ganz allein. In dieser Stimmung kam ihm der Vater in
    den Sinn und das ersparte Geld für den Marmorgrabstein. Und er
    beschloß noch etwas: Vor seiner Flucht sollte der Vater den Stein aufs Grab bekommen. Timm wußte, das würde Schwierigkeiten
    machen. Aber durchsetzen wollte er’s.
    Ruhig stand er jetzt von der Bank auf. Er hatte Pläne, die er
    durchführen mußte. Und die Pläne machten den Jungen stark.

    Achter Bogen

    Der letzte Sonntag

    Als der Sonntag kam – der letzte Sonntag, den Timm in seiner
    Geburtsstadt verbrachte – sah man der Stiefmutter schon beim
    Frühstück die Aufregung an. Sie hatte einen besonders starken
    Kaffee gekocht, den sie in gierigen Schlucken trank, und sie aß fast nichts. Timm hatte sie ein wenig mehr Geld gegeben, als er erbeten hatte. Auch hatte sie ihr prächtigstes Staatskleid aus

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