Timm Thaler
bestickter Seide angezogen und den Fuchspelz bereitgelegt.
„Ichbingespann tob wirgewinnen“, schnatterte sie.
„Weißteschonaufwel – chespferddu setzt, Timm?“
„Nein“, sagte der junge wahrheitsgemäß.
„Ja, machstedirdennnochkeine Gedanken?
Kannstedenneinfachsoins Blaue wetten?“
„Timm weiß schon, was er tut!“ warf Erwin ein. Die Wett-Erfolge
seines Stiefbruders erfüllten ihn mit ebenso viel Neid wie Respekt.
Nach dem Frühstück fuhren die drei in einem Taxi zum
Rennplatz. Die Stiefmutter steuerte dort sogleich auf die
Wettschalter zu. Aber Timm sagte, er müsse sich noch ein wenig
umhorchen. Das sah die Verwandtschaft ein. Timm durfte sich allein unter die Leute mischen und ihre Gespräche belauschen.
Auf dem Rennplatz war er fast vergessen, weil er ein ganzes Jahr
lang nicht gewettet hatte. Aber einige Leute kannten ihn noch und zeigten flüsternd auf ihn. Besonders ein Herr mit krausem braunem Haar und merkwürdig stechenden wasserblauen Augen schien sich
sehr für Timm zu interessieren. Er umkreiste den Jungen wie ein
Hund seinen Herrn, beobachtete ihn ebenso unablässig wie
unauffällig und stellte sich schließlich neben Timm, als der die Liste der Pferde studierte.
„Auf Südwind scheint niemand zu setzen“, bemerkte er betont
beiläufig und ohne den Jungen dabei anzusehen. „Willst du auch
wetten?“
„Ja“, sagte Timm. „Und zwar auf Südwind!“
Jetzt wandte der Fremde den Kopf. „Das ist sehr kühn, mein
Junge! Südwind hat so gut wie gar keine Gewinnchancen!“
„Wir werden sehen“, meinte Timm.
Irgendwie war ihm nach Lachen zumute. Aber er konnte nicht
lachen. Ernst und ein wenig traurig sah er den Fremden an, der jetzt über Timms kühne Wettabsichten zu witzeln begann und den Jungen
zum Schalter begleitete.
Unterwegs scherzte der Fremde weiter. Er machte Witze über die
kleinen Jockeys und beobachtete dabei genau das Gesicht des
Jungen. Aber Timm verzog keine Miene.
Kurz vor dem Schalter blieb der Herr stehen. Unwillkürlieh
verhielt auch Timm den Schritt. „Ich heiße Kreschimir“, sagte der Fremde. „Ich meine es gut mit dir, mein Junge. Ich weiß, du hast auf diesem Rennplatz noch nie eine Wette verloren. Das ist selten und zugleich seltsam. Darf ich dich etwas fragen?“
Timm blickte in die wasserblauen Augen, die ihn an jemanden
erinnerten. Aber er wußte nicht, an wen. Er sagte: „Bitte schön,
fragen Sie!“
Leise und ohne den Jungen aus den Augen zu lassen, fragte Herr
Kreschimir: „Warum ladist du niemals, Junge? Magst du nicht? Oder
– kannst du nicht?“
Timm stieg das Blut zu Kopfe. Wer war dieser Mann? Was wußte
er? Ihm schien mit einem Male, dieser Mann habe die Augen
Lefuets. War dies der veränderte Lefuet, der Timm auf die Probe
stellen wollte?
Der Junge hatte wohl etwas lange mit seiner Antwort gezögert;
denn plötzlich sagte Herr Kreschimir: „Dein Schweigen ist beredt
genug. Vielleicht kann ich dir einmal helfen. Ich heiße Kreschimir.
Vergiß das nicht. Auf Wiedersehen!“
Im Gedränge der Rennplatzbesucher verschwand der Mann.
Timm verlor ihn aus den Augen. Beunruhigt ging er zum Schalter
und setzte alles Geld auf „Südwind“.
Nach der Begegnung mit Herrn Kreschimir war er fester als je
entschlossen, spätestens morgen die Stadt zu verlassen.
Seine Stiefmutter und Erwin hatten ihn am Schalter entdeckt.
Offenbar hatten sie dort auf ihn gewartet. Timm verriet diesmal
nicht, auf welches Pferd er gesetzt hatte. Aber zum erstenmal sah er sich mit den beiden zusammen das Rennen an.
„Südwind“ war ein ungewöhnlich temperamentvoller junger
Hengst, der sein drittes Rennen lief. Man war der Meinung, das
Pferd sei viel zu früh zu den Rennen zugelassen worden. Es hatte bis jetzt nur Plätze in der Mitte des Feldes erzielt. Einmal zwar war
„Südwind“ bei Beginn des Rennens wie ein Pfeil an die Spitze
vorgeschossen. Aber bald war das Tier zurückgefallen und wie
gewöhnlich mit dem Mittelfeld ins Ziel eingelaufen.
Dies alles erfuhr Timm aus dem Gespräch zweier Herren, die
neben ihm standen. Zum erstenmal war er auf ein Rennen gespannt.
Er hatte Furcht, nach dem Gespräch mit Herrn Kreschimir könne
sein Vertrag mit dem karierten Herrn Lefuet ungültig sein. Das
Ergebnis dieses Rennens sollte ihm zeigen, ob seine Furcht
begründet war.
Der Startschuß wurde gegeben. „Südwind“ kam, als die Pferde
sich eingelaufen hatten, auf den vierten Platz, den er ziemlich stetig hielt.
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