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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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die
    Oberleitung gerissen ist, stimmt’s?“
    Traurig schüttelte Timm den Kopf. Er hätte die Wette lieber
    verloren. Immerhin war ihm jetzt klar, daß Herr Lefuet über
    Fähigkeiten verfügte, die man zumindest ungewöhnlich nennen
    mußte.
    Am Bahnhof fragte Herr Rickert nach Timms Gepäck.
    „Alles, was ich brauche, habe ich“, antwortete Timm sehr
    unbestimmt und sehr wenig kindlich. „Und meinen Paß habe ich im
    Jackett.“
    Der Junge hatte wirklich einen Paß. Als er vierzehn geworden
    war, hatte er bei seiner Stiefmutter durchgesetzt, daß er einen
    eigenen Paß bekam. Er hatte darauf hingewiesen, daß er sich an den Wettschaltern vielleicht ausweisen müßte. Und dieser Hinweis hatte genügt; denn es war zu jener Zeit gewesen, in der Timm sich
    geweigert hatte zu wetten.
    Nun zeigte sich, wie nützlich der Paß war. Denn Timm fuhr nach
    Hamburg.
    Herr Rickert hatte ein Abteil der ersten Klasse gemietet. An der
    Tür stand auf einem Schildchen sein Name: Christian Rickert.
    Reedereidirektor. Aber darunter stand noch ein Name. Und als Timm ihn las, wurde er blaß. Er las: Baron Louis Lefuet.
    Als sie sich setzten, fragte Herr Rickert: „Ist dir nicht wohl,
    Timm? Du bist plötzlich so blaß!“
    „Das habe ich manchmal“, sagte Timm, und das entsprach
    ungefähr der Wahrheit. Denn wer auf dieser Welt wird nicht
    manchmal blaß?
    Der Zug fuhr ein Stück am Ufer der Elbe entlang. Herr Rickert
    betrachtete Fluß und Ufer sichtbar mit Genuß. Timm sah nichts
    davon.
    Die freundlichen Augen im Mopsgesicht musterten Timm
    manchmal verstohlen. Aber sie glitten immer sogleich wieder auf die Flußlandschaft zurück.
    Herr Rickert machte sich Gedanken über den Jungen und
    versuchte endlich, ihn durch die Erzählung ulkiger
    Seefahrtsgeschichten aufzumuntern. Aber er merkte bald, daß der
    Junge zerstreut war und ihm nicht zuhörte.
    Erst als Herr Rickert von selbst auf den Baron Lefuet zu sprechen kam, dessen Platz Timm einnahm, wurde der Junge sichtlich
    aufmerksam und sogar gesprächig.
    „Der Baron ist wohl sehr reich?“ fragte Timm.
    „Unermeßlich reich! Er hat in allen Teilen der Welt
    Unternehmungen. Die Hamburger Reederei, die ich leite, gehört ihm auch.“
    „Wohnt der Baron in Hamburg?“
    Herr Rickert machte mit den Händen eine unbestimmte
    Bewegung, die soviel sagte wie: Was weiß ich! „Der Baron wohnt
    überall und nirgends“, erklärte er dann. „Er ist heute in Hamburg, morgen in Rio de Janeiro und übermorgen vielleicht schon in
    Hongkong. Sein Hauptsitz ist, soviel ich weiß, ein Schloß in
    Mesopotamien.“
    „Sie kennen ihn wohl sehr gut?“
    „Niemand kennt ihn gut, Timm. Er verändert sich wie ein
    Chamäleon. Jahrelang hatte er, um dir ein Beispiel zu nennen, einen verkniffenen Mund und stechende Augen, von denen ich hätte
    schwören mögen, daß sie wasserblau waren. Als ich ihn gestern
    wiedersah, hatte er warme braune Augen. Auch setzte er nicht wie
    sonst auf der Straße eine Sonnenbrille auf. Das Merkwürdigste aber ist, daß dieser Mann, den ich vorher niemals habe lachen hören,
    gestern wie ein kleiner Junge lachte. Er preßte auch nicht ein
    einziges Mal die Lippen aufeinander, wie er es sonst zu tun pflegte.“
    Timm blickte rasch zum Fenster hinaus. Unwillkürlich hatte er
    die Lippen aufeinandergepreßt.
    Herr Rickert spürte, daß irgend etwas in seiner Erzählung den
    Jungen zugleich gefesselt und verstört hatte. Er wechselte das
    Thema.
    „Was willst du eigentlich in Hamburg?“
    „Ich will Kellnerlehrling auf einem Schiff werden!“ Wieder
    wunderte Timm sich über seinen plötzlichen Entschluß, den er im
    Augenblick gefaßt hatte, der aber nahelag; denn als irgend etwas
    muß man ja anfangen, wenn man zur See fahren will.
    Das Mopsgesicht ihm gegenüber strahlte jetzt vor Gönnerstolz.
    „Timm, du bist ein Glückspilz!“ sagte Herr Rickert beinahe
    feierlich. „Wenn du zum Bahnhof willst, fährt eine Straßenbahn
    extra deinetwegen zum Bahnhof; und wenn du eine Stellung
    brauchst, schneit dir genau der Mann in den Weg, der sie dir
    verschaffen kann!“
    „Können Sie mich als Kellnerlehrling unterbringen?“
    „Kellner auf Schiffen heißen Stewards“, korrigierte der
    Reedereidirektor. „Und du wirst vermutlich als Moses oder
    Messeboy anfangen. Wichtig ist im Augenblick nur eines: Sind deine Eltern einverstanden?“
    Timm überlegte ganz kurz und sagte dann: „Ich habe keine Eltern
    mehr!“ Die Stiefmutter verschwieg er; denn er wußte, daß sie

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