Timm Thaler
kamen Matrosen, und der Baron zog sich
ganz in den Schatten des Beibootes zurück. Da flüsterte ich ihm zu: Entweder sind mir meine Augen bedingungslos zurückgegeben, oder
ich erzähle den Leuten was!“
„Und?“
Kreschimir lachte wieder: „Der Baron stotterte vor Aufregung. Er
sagte: Be – be – din – gungslos!“
Timm drehte schnell den Kopf zur Wand. Der sinnlose Drang zu
lachen entstellte sein Gesicht.
„Möchte wissen, wo der Baron jetzt steckt“, murmelte
Kreschimir.
Das war das Stichwort, auf das Timm gewartet hatte. Er sagte,
wieder gefaßt: „Ich wette mit Ihnen…“
„Du kannst mich duzen“, unterbrach ihn Kreschimir.
„Also ich wette mit dir, daß wir in den nächsten fünf Minuten
erfahren, wo sich der Baron befindet!“
„Um was willst du wetten, Timm?“
„Um ein Stück Nußtorte!“
„Das kann ich zahlen. Wenn mich nicht alles täuscht, mußt du ja
die Wette gewinnen – wie alle Wetten. Also abgemacht!“ Der
Steward hielt dem Jungen die Hand hin, und Timm schlug ein.
In demselben Augenblick wurde in der Nachbarkabine das Radio
eingeschaltet. Ein Sprecher gab die Wettervorhersage. Dann folgten Nachrichten aus der Gesellschaft.
Timm und Kreschimir, die zuerst unwillig über die 5törung
gewesen waren, horchten auf. Die Stimme aus dem Lautsprecher
meldete:
„Der bekannte Geschäftsmann Baron Lefuet, dessen Vermögen
auf einige Milliarden Dollar geschätzt wird, gab diese Nacht in Rio de Janeiro einen Empfang für die Geschäftswelt der brasilianischen Hauptstadt. Er entfernte sich gleich zu Beginn des Festes und kehrte erst zwei Stunden später sichtlich verstört zurück. Es fiel auf, daß er nach seiner Rückkehr eine Sonnenbrille trug. Vermutlich ist ein altes Augenleiden, das seit längerem behoben schien, erneut zum
Ausbruch gekommen. Wir erfuhren telefonisch, daß das Fest noch
andauert und daß der Baron offenbar wieder…“
Das Radio wurde ausgeschaltet, und dann begann in der
Nebenkabine das Wasser zu rauschen.
Timms Gesicht war fahl wie das Licht der Morgendämmerung. Er
hatte die Wette gewonnen und wußte nun, daß der Vertrag noch
gültig war. Aber was ihn erschreckte, war diese merkwürdige
Nachricht.
„Wie kommt man so schnell nach Rio de Janeiro?“ fragte er
entgeistert.
„Viel Geld, viele Möglichkeiten“, antwortete Kreschimir.
„Aber so schnell fliegt nicht einmal ein Flugzeug!“ rief der Junge im Bett.
Hierauf sagte der Steward zunächst gar nichts. Dann brummte er:
„Ich dachte, du wüßtest, mit wem du es zu tun hast.“ Und dann hatte er es plötzlich sehr eilig, seinen Dienst anzutreten. In der Tür drehte er sich noch einmal um und sagte: „Versuch zu schlafen, Timm!
Grübeln im Bett führt zu nichts.“
Glücklicherweise ließ die gesunde Natur des Jungen ihn wirklich
in Schlaf fallen. Als er gegen Mittag wieder erwachte und
Kreschimir ihm einen Topf Suppe und das gewonnene Stück
Nußtorte brachte, war ihm sogar merkwürdig leicht zumute. Zum
erstenmal teilte er sein schreckliches Geheimnis mit einem
Menschen, und dieser Mensch hatte obendrein im Spiel mit dem
Baron gewonnen. Das gab Timm so viel Hoffnung und frohe
Zuversicht, daß er die merkwürdige Nachricht aus Rio de Janeiro
fürs erste einfach vergaß.
Am Nachmittag kam der Steuermann auf kurze Zeit herein, ein
Riese aus Hamburg, der Jonny hieß. Er erkundigte sich nach Timms
Befinden, befühlte die Beule mit erstaunlich behutsamen Fingern,
brachte noch eine Tablette und sagte dann: „Morgen bist du wieder fit, Kleiner! In Zukunft wirst du dich vor Fallstricken hüten, hoffe ich!“ Dann ging er wieder.
Timm dachte: „Wenn du wüßtest, über was für einen
schlimmeren Fallstrick ich gestolpert bin!“ Und wieder schlief er ein.
Der Steuermann hatte ihm eine Schlaftablette gegeben.
In der Nacht, als Kreschimir in die Koje zurückkam, wachte
Timm wieder auf. Der Steward stützte sich mit den Ellenbogen auf
Timms Bettkante und sagte: „Es ist eine Gemeinheit von dem Kerl,
Junge!“
„Wie meinen Sie…“ Timm verbesserte sich: „Wie meinst du
das?“
„Genau so, wie ich es sagte! Ich weiß, du mußt schweigen. Schön,
schweig! Aber ich weiß Bescheid: Er lacht dein Lachen, und du
gewinnst jede Wette! Aber was ist, wenn du eine Wette verlierst?“
„Das wünsche ich mir“, erwiderte Timm leise. Mehr sagte er
nicht.
„Darüber werde ich nachdenken“, sagte Kreschimir. Er zog sich
aus und stieg ebenfalls ins Bett.
Als
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