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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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beide das Licht ausgelöscht hatten, erzählte der Steward von
    seiner Heimat, von einem Dorf im Karst an der kroatischen Küste.
    Sieben Tage in der Woche hatte das Kind Kreschimir gehungert,
    sieben Tage in der Woche hatte es von Glück und Reichtum
    geträumt. Und dann war eines Tages ein Auto durch das Dorf
    gefahren, und ein Herr im karierten Anzug hatte am Steuer gesessen.
    Und dieser Herr hatte ihm eine Tüte mit Granatäpfeln geschenkt,
    eine Tüte mit sieben Stück, jeder damals einen ganzen Dinar wert.
    Und der Junge war damit zehn Kilometer weit zu einem Badeort an
    der Küste gegangen und hatte sie verkauft.
    „Ja, Timm, da hatte ich zum erstenmal eigenes Geld, viel Geld,
    wie mir schien. Ganze sieben Dinar! Und weißt du, was ich mir
    dafür gekauft habe? Kein weißes Brot, obwohl ich Hunger darauf
    hatte, sondern ein Stück Torte! Weißt du, so ein Tortenstück mit viel Krem und mit Kirschen darauf und mit einer halben Walnuß in der
    Mitte. Das war die Torte, von der die Mädchen im Dorf erzählten,
    wenn sie am Meer gewesen waren.
    All mein Geld mußte ich hingeben für dieses eine Stück Torte.
    Ich hab’s dann irgendwo hinter einem Bretterstapel auf der Mole
    verzehrt, Bissen für Bissen, und dabei habe ich gedacht: Das essen die Engel im Himmel nun alle Tage.
    Hinterher hab ich gekotzt. Entschuldige das Wort! Aber so war’s!
    Mein Arme-Junge-Magen war dafür nicht gebaut. Ich spie wie ein
    Reiher. Und als ich damit fertig war und von der Mole zurück ans
    Land ging, stand wieder das Auto mit dem karierten Herrn da.“
    Kreschimir schwieg, und Timm dachte an einen kleinen Jungen in
    einer Gasse, die nach Pfeffer, Kümmel und Anis roch.
    Dann erzählte der Steward weiter: wie der karierte Herr nun öfter mit Granatäpfeln ins Dorf gekommen war, wie er eines Sonntags mit den Eltern gesprochen hatte, wie er den Jungen auf einem seiner
    Schiffe als Steward untergebracht. wie er ihn später manchmal mit auf Reisen und vor allem zu Pferderennen mitgenommen hatte, wie
    Kreschimir durch leichtsinnige Wetten bei dem karierten Herrn in
    Schulden geraten war und wie er ihm am Ende sein schönstes Erbteil verkauft hatte, seine Augen.
    „Nun habe ich sie wieder!“ schloß Kreschimir. „Und du sollst
    dein Lachen wiederhaben, so wahr ich Kreschimir heiße. Gute
    Nacht!“
    Timm hatte einen Kloß in der Kehle. Es klang sehr dünn, als er
    sagte: „Gute Nacht, Kreschimir! Vielen Dank!“

    Dreizehnter Bogen

    Stürme und Ängste

    Die Erzählung Kreschimirs hatte Timm erregt. Überdies war das
    Meer in dieser Nacht heftig bewegt. So schlief der Junge unruhig
    und warf sich von einer Seite auf die andere.
    Mitten in diesen dünnen Schlaf hinein dröhnte ein Donnerschlag.
    Wenig später zuckte ein unheimlich heller Blitz durch die Lider des Schlafenden, und neuer schrecklicher Donner dröhnte ihm in die
    schlaftauben Ohren.
    Timm fuhr mit einem Schrei auf. Ihm war, als habe er durch den
    Donner sein eigenes Lachen gehört. Er riß die Augen auf, und sein Blick fiel auf das Bullauge, durch das zwei wasserblaue Augen in die Kajüte starrten, dem Jungen mitten ins Gesicht.
    Furcht und Entsetzen drückten ihm die Lider wieder zu, der
    Schweiß brach ihm aus, und er war unfähig, sich zu bewegen. So
    hockte er, vornübergekrümmt, eine halbe Ewigkeit, bis er es endlich, endlich wagte, die Augen wieder zu öffnen und ganz leise nach
    Kreschimir zu rufen.
    Der Steward gab keine Antwort. Draußen, hinter einer dünnen
    Wand aus Eisen, schäumte das Meer und schlug in beinahe
    regelmäßigen Abständen donnernd dagegen. Timm wagte nicht
    wieder, zum Bullauge hinüberzuschauen.
    Er rief lauter nach Kreschimir. Aber noch immer kam keine
    Antwort.
    Da fing er so laut zu schreien an, daß seine eigene Stimme ihn
    ängstigte.
    „Kreschimir!“ Es war fast keine menschliche Stimme mehr, die
    da schrie. Aber keine Antwort kam auf diesen Schrei.
    Timm schloß die Augen wieder, um nicht das Bullauge ansehen
    zu müssen, und tastete nach der kleinen Lampenschnur über seinem
    Kopf. Als er sie zwischen den Fingern fühlte, riß er sie vor Erregung ab. Aber das Licht brannte. Und der Junge machte die Augen auf.
    Mit der Dunkelheit zogen sich auch die Ängste in die Ecken
    zurück. Timm beugte sich nun über den Bettrand nach unten, um
    nach Kreschimir zu sehen. Aber Kreschimirs Bett war leer.
    Da kroch aus den Winkeln der leeren Kajüte wieder die Angst auf
    ihn zu. Der Junge fing am ganzen Leibe zu zittern an, sah sich im

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