Timm Thaler
fuhr beinahe keuchend dazwischen: „Ja, Baron, mir
liegt an meinen alten Augen, mir liegt an meinen alten, harmlosen, dummen, gutmütigen Kuhaugen mehr als an allem Reichtum der
Welt, auch wenn Sie das niemals begreifen werden!“
„Ich werde es niemals begreifen“, bestätigte die Stimme des
Barons. „Trotzdem bin ich unter gewissen Bedingungen bereit, den
Handel rückgängig zu machen. Wollen Sie in diesem
Taschenspiegel, bitte, Ihr Gesicht betrachten!“
Eine herzklopfende Stille folgte der Aufforderung. Timm war
schweißnaß von der Aufregung, in die ihn das Zwiegespräch
versetzte, und von der Anstrengung, sich stillzuhalten.
Endlich hörte er Kreschimir leise sagen: „Ich habe sie wieder!“
„Jetzt kommt meine Bedingung“, sagte der Baron.
Aber Timm hörte es nicht mehr. Kreschimir hatte seine Augen
wieder, und er, Timm, hatte hier in beinahe greifbarer Nähe sein
altes, verlorenes Kinderlachen, nach dem ihn mehr verlangte als
nach allem anderen auf der Welt.
Er vermochte sich nicht länger zurückzuhalten. Er sprang vor und
schrie: „Geben Sie mir mein…“
Da stolperte er über ein Tau, fiel mit dem Kopf gegen den
scharfen Bug des Beibootes und stürzte polternd aufs Deck nieder, wo er bewußtlos liegenblieb.
Zwölfter Bogen
Kreschimir
Ein Stern, das böse glühende Auge des Mars, tanzte vor dem
Bullauge auf und ab, als Timm erwachte. Er lag im oberen Bett der Koje, die er mit dem Steward teilte. Über dem Atlantik dämmerte
grau der Tag herauf.
Jemand rumorte in der Koje herum. Timm drehte den Kopf. Es
war Kreschimir. Auch der Steward drehte gerade den Kopf. In dem
schwachen Licht, das von Kreschimirs Bettlampe kam, trafen sich
ihre Blicke. Der Steward hatte warme braune Augen.
„Nun, mein Junge, wie fühlst du dich?“ fragte er freundlich.
Timm war noch nicht recht wach. Auch vermochte er sich nicht
zu erinnern, wie er hierhergekommen war. Und dieser Kreschimir,
der ihn fragte, war ein anderer als der, dem er im Salon zur Hand gegangen war, ein viel ruhigerer, viel freundlicherer Kreschimir.
Der Steward trat näher ans Bett. „Fühlst du dich besser, Junge?“
Nun tauchten in Timms Gedächtnis nach und nach wieder die
Ereignisse des Abends auf: die Stimmen vor der Kombüsentür, das
Zwiegespräch hinter dem Beiboot und sein eigener Schrei und Sturz.
„Wo ist der Baron?“ fragte er.
„Ich weiß es nicht, Timm. Auf dem Schiff ist er nicht mehr. Aber
sag mir eins: Hast du uns gestern abend belauscht?“
Der Junge im Bett nickte. „Ich freue mich, daß Sie Ihre Augen
wiederhaben, Herr Kreschimir!“
„Und du, Timm? Was wolltest du von dem Baron zurückhaben?“
„Mein…“ Der Junge stockte. Ihm fiel der Vertrag ein, und er
preßte die Lippen zusammen.
Da schlug sich Kreschimir plötzlich mit der flachen Hand vor die
Stirn. „Daß ich darauf nicht früher gekommen bin!“ rief er. „Dieser vielgeehrte Gauner lachte wie ein kleiner Junge. Ich wußte doch, da war irgend etwas, das nicht zu ihm paßt. Jetzt weiß ich’s genau: Es war sein Lachen! Vielmehr…“ Kreschimir sah Timm voll an: „… es
war dein Lachen.“
„Das habe ich Ihnen nicht gesagt!“ rief Timm. „Oder – habe ich’s
gestern abend gerufen?“
„Nein, Timm, dazu kamst du nicht. Und vielleicht ist das dein
Glück. Ich kenne die Stillschweige-Paragraphen in den Verträgen
des Barons. Sei beruhigt. Du hast geschwiegen.“
Aber Timm war alles andere als beruhigt. Er mußte auf der Stelle
erproben, ob der Vertrag noch gültig war. Er mußte mit Kreschimir wetten – um irgend etwas Unwahrscheinliches.
Der Junge wollte aus dem Bett steigen. Aber als er sich
aufrichtete, schwindelte es ihn, und der Kopf begann zu pochen und zu schmerzen. So legte er sich ins Kissen zurück.
Kreschimir brachte ihm ein Glas Wasser und eine Tablette, die er
bereitgelegt hatte. „Nimm das ein, Timm! Du mußt heute in der Koje liegenbleiben. Morgen ist alles wieder in Ordnung. Außer einer
Beule fehlt dir nichts, sagt der Steuermann, und der war früher
Sanitäter.“
Timm schluckte die Tablette gehorsam und dachte dabei über eine
Wette nach. Als ihm eine eingefallen war, brachte er das Gespräch wieder auf den Baron, denn mit dem hatte die Wette zu tun.
„Welche Bedingung hat der Baron eigentlich gestellt, Herr
Kreschimir? Ich meine: als Sie Ihre alten Augen wiederhatten?“
„Gar keine!“ lachte Kreschimir. „Als du gerufen hattest und auf
das Deck geplumpst warst,
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