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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Lügen“, begehrte Timm auf.
    „Sie reden wie Selek Bei“, seufzte Lefuet. „Im übrigen ist
    Reklame niemals eine Lüge, sondern eine Beleuchtungsfrage.“
    „Eine Beleuchtungsfrage, Baron?“
    Lefuet nickte. „Sehen Sie, Herr Thaler, die Tatsachen stimmen
    doch alle: Sie sind als kleiner Junge in einer armen Gasse
    aufgewachsen; Sie haben das Erbe des Barons angetreten; und sogar die Marken-Margarine war Ihre Idee. Jetzt kommt es nur darauf an, diese Tatsachen ins rechte Licht zu drehen, und schon ist unser
    rührendes Margarinemärchen fertig. Es ist eine sehr gute Reklame.
    Die Konkurrenz wird toben. Aber überlassen Sie das getrost uns,
    Herr Thaler. Sprechen wir jetzt von Ihrem Photo.“
    „Von dem Photo des lachenden Jungen?“
    „Eben davon, Herr Thaler. Ich selbst bin ein, wenn auch
    bescheidener, Jünger der photographischen Kunst und werde diese
    Aufnahme machen. Es ist schon alles vorbereitet.“
    Lefuet zog einen Vorhang zur Seite, hinter dem Timm eine Art
    kleiner Küche vermutet hatte. Aber dort stand auf einem Stativ ein Photoapparat und daneben ein Stuhl, über dessen Lehne ein
    abgenützter Knabenpullover hing. Das Verblüffendste für Timm war
    jedoch der photographische Prospekt im Hintergrund: ein
    riesenhaftes Photo seiner Gasse. Genau in der Mitte war die Tür zu seiner ehemaligen Wohnung zu sehen. Alles stimmte bis auf die
    geringsten Kleinigkeiten. Der Junge erkannte sogar die schmale
    Lücke im Mauerwerk des Nachbarhauses, in der er damals die fünf
    Mark versteckt hatte. Selbst den Geruch nach Pfeffer, Kümmel und
    Anis glaubte er zu spüren.
    „Ziehen Sie, bitte, diesen Pullover über, und stellen Sie sich vor den Prospekt, Herr Thaler!“ Lefuet trug inzwischen den
    Photoapparat samt Stativ vorsichtig in die Mitte des Pavillons.
    Timm tat alles, um was Lefuet ihn bat, wie im Traum. Bilder der
    Vergangenheit überschwemmten seine Gedanken: Der Vater. Die
    Stiefmutter. Der bleiche Erwin. Die Kuchenfreundin seiner
    Stiefmutter aus dem Haus ganz links. Frau Bebbers Laden rechter
    Hand. Die Sonntage. Die Wetten. Das Verhör am Abend. Ein
    karierter Herr. Ein Vertrag.
    Der Junge mußte sich für einen Augenblick auf den Stuhl setzen.
    Lefuet beschäftigte sich mit dem Photoapparat.
    Endlich war es soweit. Der Baron gab dem Pullover, den Timm
    jetzt trug, einen absichtlich schlampigen Sitz, brachte die Haare des Jungen ein wenig durcheinander und stellte ihn vor das Gassenphoto.
    Dann trat er zurück und hinter den Apparat.
    „So ist es gut, Herr Thaler! Bleiben Sie dort stehen. Und nun
    sprechen Sie mir nach: Ich leihe mir mein Lachen nur für eine halbe Stunde. Dies verspreche ich bei meinem Leben.“
    „Ich leihe mir mein Lachen…“ Timms Stimme versagte.
    Aber sofort kam der Baron ihm zu Hilfe: „Sprechen Sie es in
    Blöcken nach. Das ist einfacher. Also: Ich leihe mir mein Lachen…“
    „Ich leihe mir mein Lachen…“
    „… nur für eine halbe Stunde.“
    „… nur für eine halbe Stunde.“
    „Dies verspreche ich…“
    „Dies verspreche ich…“
    „… bei meinem Leben!“
    „… bei meinem Leben!“
    Kaum hatte Timm das letzte Wort gesagt, als Lefuet seinen Kopf
    wieselflink unter das schwarze Tuch steckte. Es war wie in der
    Kasperlkomödie. Timm fühlte eine unbezwingbare Lust zu lachen
    und – lachte. Das kullerte aus dem Bauch herauf, kitzelte in der
    Kehle und entlud sich in einem so fürchterlichen Gelächter, daß der Bauch schmerzte und die Augen sich mit Wasser füllten. Der
    Pavillon dröhnte von Timms Lachen, der Stuhl neben dem Jungen
    bebte, als lache er mit. Die Welt schien sich wieder in ihr
    Gleichgewicht einzupendeln. Timm Thaler lachte.
    Der Baron blieb unter dem schwarzen Tuch verborgen und
    wartete das Gelächter ab. Seine Hand, die sich am Blitzlicht zu
    schaffen machte, zitterte.
    Timm, der sich nur langsam beruhigte, zog nun eine fröhliche
    Grimasse und fragte: „Ist dies das Margarine-Lächeln, das Sie
    brauchen, Baron?“ Ihm war leicht, heiter, übermütig zumute. Der
    Baron kam ihm immer noch wie ein Kasperl vor. Er glaubte nicht an die halbe Stunde; er war überzeugt, sein Lachen für ewig
    wiederzuhaben. Für Lefuet unter dem schwarzen Tuch, für den
    Baron ohne Lachen, fühlte er fast eine Art Mitleid. Selbst die
    gequetschte Stimme, mit der Lefuet dem Jungen jetzt Anweisungen
    gab, erregte eher Timms Mitleid als seinen Spott. Gehorsam stellte er das rechte Bein vor, neigte den Kopf etwas zur Seite, lächelte, sagte auf Lefuets

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