Timm Thaler
wurde er. Wenn Lefuet jetzt in Timms Gegenwart lachte, zitterte der Junge. Eines Nachts in einem Hotel in Brüssel hatte er im Traum das kleine Telefongespräch
wiederholt, das er in Lefuets Schloß mit Herrn Rickert geführt hatte.
Als er aufwachte, hatte er es noch im Kopf, und er erinnerte sich deutlich, daß Herr Rickert gesagt hatte: „Kreschimir weiß…“
Was wußte Kreschimir? Einen Weg, der zu seinem Lachen
führte?
Der Junge hielt sich strikt an sein Versprechen, auf keine Weise
mit seinen Hamburger Freunden in Verbindung zu treten. Aber er
sehnte jetzt das Ende des Jahres herbei, an dem die Abmachung
ungültig wurde.
Einige Tage vor Timms Geburtstag flogen sie nach London, wo
Timm in Gegenwart des Barons aus der Hand Mister Pennys ein
Aktienpaket entgegennahm. Es war der weitaus größte Teil der
Hamburger Reederei-Aktien.
Mister Penny hatte inzwischen bereits erfahren, daß Lefuet seinen heimlichen Vertrag mit Timm Thaler auf dem Löschblatt
nachgelesen hatte, und nach einer anfänglichen Bestürzung war ihm das ganz lieb gewesen. Vor der Übertragung der Aktien hätte der
Baron es überdies erfahren müssen.
Im Flugzeug, das den Jungen endlich, endlich nach Harn? bürg
zurückbrachte, sagte Timm zum Baron: „Sie waren genau so nett
und höflich zu Mister Penny wie gewöhnlich. Sind Sie ihm nicht
böse, weil er mir hinter Ihrem Rücken die Stimm-Aktien abgekauft
hat, die ich erbe?“
Lefuet lachte schallend. „Mein lieber Herr Thaler, ich hätte an
Pennys Stelle nicht anders gehandelt. Warum also sollte ich ihm
böse sein? Der Kampf um die Stimm-Aktien, von denen ich im
Augenblick die größte Anzahl besitze, wird ständig im geheimen
geführt. Aber deshalb kratzen wir einander doch die Augen nicht
aus. Wir sind wie eine Löwenfamilie: Wenn große Beute gemacht
wird, gibt es einen kurzen Streit um die Anteile, bei dem der alte Löwe das meiste bekommt, und das bin ich. Aber kaum ist die Beute verteilt, dann sind wir wieder die einige Familie, die niemand
auseinanderreißen kann.“
„Auch Selek Bei nicht?“ fragte Timm leise.
„Selek Bei“, antwortete Lefuet bedächtig, „bildet vielleicht eine Ausnahme, Herr Thaler! Er hält sich für unglaublich gerissen und ist es gar nicht. Das macht uns manchmal Ärger, ist aber in den meisten Fällen eher belustigend für uns. Wir mögen ihn eigentlich recht
gern.“
„Aber die Armee in Südamerika…“ konnte Timm sich nicht
enthalten einzuwerfen.
„Diese sogenannte Armee, Herr Thaler, besteht zu einem Teil aus
unseren Leuten. Und die Waffen, die Selek Bei mit seinem privaten Geld für diese Leute kauft, stammen von einem Depot, das uns
gehört. So fließt Selek Beis Geld wieder in unsere Firma zurück. Ein Kreislauf. Wie beim Wasser. Auch die Gelder, die Selek Bei in
Afghanistan gegen uns einsetzt, fließen zum größten Teil in unsere Kassen zurück.“
„Warum haben Sie Selek Bei dann in die Firma aufgenommen?
Nur, weil er sich mit den Buddhisten und den Mohammedanern
gleich gut versteht?“
„Nicht nur darum, Herr Thaler. Er ist in der ganzen Welt ein
hochgeschätzter Mann. Die einen schätzen ihn, weil er für die Armen und Unterdrückten der Erde eintritt, die anderen, weil er das
Oberhaupt einer religiösen Sekte und ein frommer Herr ist. Ich zum Beispiel schätze ihn wegen seiner außerordentlich intelligenten
Ansichten über den Teufel.“
„Was ist eigentlich mit der Markenmargarine?“ fragte Timm jetzt
scheinbar zusammenhanglos.
Aber der Baron begriff den Zusammenhang sofort. Er sagte:
„Der Versuch von Selek Bei, unsere Margarinepläne zu stören,
war auch so ein alberner Einfall.“
Timms Herz schlug schneller. Wußte der Baron, daß der Junge
den Vertrag mit der unsichtbaren Tinte Selek Beis unterschrieben
hatte? Er wagte nicht, danach zu fragen. Aber die Frage wurde ihm trotzdem von Lefuet beantwortet.
„Es war natürlich ganz gewöhnliche Tinte in dem Füllfederhalter,
mit dem Sie unterschrieben haben, Herr Thaler. Ein Diener im Hause Selek Beis ist mein Mann. Er hat die Tinte rechtzeitig ausgewechselt.
Aber selbst wenn Ihr Name verschwunden wäre, hätte der Name des
Vormunds dort gestanden. Ich unterschrieb nämlich jeden Vertrag
zweimal, Herr Thaler: einmal für die Firma, einmal als Ihr
Vormund.“
Timm sagte nichts. Er blickte durch das kleine Fenster des
Flugzeugs auf die Erde hinunter. Die Türme, die er dort sah,
schienen bereits die Türme Hamburgs zu sein.
Der
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