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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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sechs. Lefuet und Timm
    stiegen aus und begaben sich in das Hauptkontor des HHD, wo der
    alte Herr Denker, der Eigentümer, sie zu ihrem großen Erstaunen mit offenen Armen empfing.
    „Das ‘s würklich ein sehr merkwürdiger Zufall, meine Herren“,
    sagte er. „Ich s-piel grode mit ‘n Gedanken, meine Reederei zu
    verkaufen, und da. komm’ Sie ins Kontor und wolln sie kaufen.
    Würklich merkwürdig.“
    Herr Denker hätte die Sache vermutlich weniger merk«würdig
    gefunden, wenn er den Taxifahrer erkannt hätte, der vor der Brücke auf Timm und den Baron wartete. Aber er sah ihn zum Glück nicht.
    Und selbst wenn er ihn gesehen hätte: Erkannt hätte er ihn
    vermutlich ebenso wenig, wie Timm ihn erkannte.
    Dieser Taxifahrer nestelte jetzt übrigens mit sehr behutsamen
    Fingern an seinem Bart herum. Manchmal blickte er verstohlen in
    den Rückspiegel. Dann sah er ein anderes Taxi, das etwa hundert
    Meter hinter ihm gehalten hatte, dessen Fahrgast aber nicht ausstieg.
    Als der Baron und Timm nach einer knappen Stunde das Kontor
    des Herrn Denker verließen, hatten sie jeder drei Schnäpse getrunken und einen sogenannten Vorvertrag in der Tasche. Am folgenden Tag
    schon sollte ein gültiger Vertrag ausgefertigt werden.
    Der Fahrer des Taxis tat, als schliefe er. Lefuet, der gutgelaunt war, öffnete sich selbst den Schlag. Timm stieg von der anderen
    Seite ins Auto.
    Erst jetzt schien der Chauffeur zu erwachen. Er spielte den
    Aufgeschreckten sehr gut. Als der Baron ihm Anweisung gab, zum
    Hotel „Vier Jahreszeiten“ zu fahren, stotterte er sogar auf durchaus glaubwürdige Weise.
    „Wußten Sie übrigens“, fragte ihn Lefuet während der Fahrt, „daß
    der Hamburg-Helgoland-Gästedienst gerade verkauft werden
    sollte?“
    „Nein“, sagte der Fahrer. „Aber wundern tut’s mich nicht. Der
    alte Herr Denker ist nicht mehr der Kräftigste, und seine Töchter haben sich ja wohl auszahlen lassen. Die Seefahrt scheint denen zu schmutzig zu sein. Sind Sie am HHD interessiert, wenn ich fragen
    darf?“
    Der Baron, immer noch in strahlender Laune, sagte: „Ich besitze
    ihn bereits.“
    „Donnerwetter, das ging aber mal schnell. Fast so schnell wie bei Schwan-Kleb-An, wenn Sie die Geschichte kennen: Man braucht nur
    hinzulangen, und schon klebt man dran.“
    Ein sehr flüchtiger Blick des Fahrers streifte im Rückspiegel
    Timms Gesicht, das bei der Bemerkung des Chauffeurs zuerst
    gezuckt hatte und dann starr, beinahe steinern geworden war. Wie so oft verbarg Timm hinter der starren Miene eine ungeheure
    Aufgeregtheit.
    Diese Aufregung war begreiflich: Endlich hatte der Fahrer sich zu erkennen gegeben. Durch einen Hinweis, der dem Baron völlig
    harmlos erscheinen mußte. Durch eine Anspielung auf das Märchen
    Schwan-Kleb-An, in dem eine Prinzessin das Lachen lernte. Es war
    das Zeichen, das Timm im geheimen erwartet hatte, das Zeichen
    dafür, daß seine Freunde wachsam waren.
    Schwan-Kleb-An! Das erste Signal für die beginnende Jagd.
    Timm wußte jetzt genau, wer der Fahrer vor ihm war. Es kroch
    ihm etwas aus dem Bauch die Kehle herauf, aber kein Kullern, das
    lachen wollte, sondern so ein Gefühl, das einen unfähig zum
    Sprechen macht. Man nennt es wohl auch einen Kloß in der Kehle.
    Das Taxi war inzwischen zur Alster eingebogen und hielt vor dem
    Hotel. Der Fahrer stieg aus und öffnete die Türen. Er zeigte sich zum erstenmal in seiner ganzen stattlichen Größe.
    Jetzt konnte für Timm kein Zweifel mehr sein, um wen es sich
    handelte.
    Als der Baron bezahlt hatte und sich dem Hoteleingang zuwandte,
    konnte Timm sich nur mit Mühe zurückhalten, den Riesen zu
    umarmen. Heiser vor Aufregung flüsterte er: „Jonny.“
    Der Fahrer nahm die entstellende Brille ab, sali den Jungen an
    und sagte laut: „Auf Wiedersehen, junger Herr!“ Dabei gab er ihm
    die Hand. Dann setzte er die Brille wieder auf, stieg ins Auto und fuhr davon.
    Timm fühlte ein kleines Papier in seiner Hand, einen winzigen
    Zettel, einen Fetzen, ein Nichts genaugenommen. Und doch fühlte er sich mit diesem Fetzen Papier reicher als mit allen Aktien der Baron-Lefuet-Gesellschaft, einschließlich der Stimm-Aktien.
    Beinahe glücklich folgte er Lefuet ins Hotel, in dessen Vestibül
    ihnen bereits der Direktor entgegenkam, mit weit geöffneten Armen.
    „Herr Baron, welche Ehre!“ schienen seine Hände zu sagen, die
    sich zu Schalen des Entzückens geöffnet hatten. Aber bevor der
    Direktor sein Willkommen auch aussprechen konnte, legte

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