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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Herzog
    kennen, der für die Scherenschleifer von Afghanistan eintrat, und einen argentinischen Corned-Beef-Fabrikanten, der die Vorrechte
    des britischen Adels verteidigte.
    Über die Frage nach Herren und Dienern, die Timm in seiner
    neuen Lage sehr beschäftigte, schien in der Welt eine große
    Konfusion zu herrschen. Die hübscheste Antwort hatte er von einer Dolmetscherin in Moskau gehört.
    Jekaterina Popowna – so hieß das Fräulein – hatte mit dem Baron
    und Timm im Hotel „Moskwa“ Hähnchen gegessen. Unter dem
    Essen bemerkte der Baron spöttisch: „Ihr Kommunisten, Jekaterina
    Popowna, glaubt an die Gleichheit aller Menschen. Das ist ein großer Unsinn. Über diese Dummheit werden Sie stolpern und sich das
    Genick brechen.“
    Fräulein Popowna lächelte, zeigte auf das gebratene Hähnchen
    vor sich und sagte: „Wenn dieser Hahn noch lebte, würde ich
    niemals von ihm verlangen, daß er Eier legt. Ich würde von ihm
    verlangen, daß er im Hühnerhof regiert; denn nur dazu ist er
    tauglich.“
    Das war ebenso hübsch wie klug geantwortet. Lefuet lachte laut
    und rief: „Sie glauben also an geborene Herren, Jekaterina
    Popowna!“
    „Ein bißchen, Baron. Es gibt, glaube ich, eine Art Talent zum
    Regieren, zum Führen, zum Leiten oder wie Sie es nennen wollen.
    Nur glaube ich nicht, Baron, daß dieses Talent auf Könige, Herzöge oder reiche Erben beschränkt ist. Es wächst auch in meiner Vorstadt, und auf manchen Schlössern wächst es nicht. Dieser junge Mann
    zum Beispiel…“ (Jekaterina Popowna zeigte auf Timm) „… dieser
    junge Mann, Baron, soll einmal Ihr Königreich aus Schiffen,
    Rosinen und Butter regieren; aber ich glaube, sein Herz ist dafür ein bißchen zu groß geraten.“
    „Mag sein“, brummte Lefuet und brach das Gespräch ab. Timm
    aber ging es noch lange durch den Kopf. Er war Jekaterina Popowna nicht böse; denn er gab ihr recht, weil er klug und ohne Eitelkeit war.
    (Und weil er in dem Alter war, in dem man sich selbst langsam
    kennenlernt.)
    Nach dem Kalender wurde Timm während all dieser Reisen ein
    Jahr älter. Er näherte sich seinem sechzehnten Lebensjahr. Aber sein Geist war fünf oder sechs Jahre älter geworden. Auch war er
    erstaunlich gewachsen, und sein Gesicht glich dem eines
    Zwanzigjährigen.
    Das Flugzeug, in dem er und der Baron in diesen Monaten fast
    dreimal die Welt umkreisten, war ein hübsches Sinnbild für Timms
    Lage: Er war immer oben, stand immer auf Gipfeln, auf denen die
    Luft leichter und der Blick weiter ist als in den Tälern. Wenn er einem Gespräch Lefuets über die Kirche lauschte, dann saß ein
    Kardinal bei ihnen, der frei und heiter plauderte und ohne den Zorn und Eifer eines Dorfpfarrers, der seinen Bauern die zehn Gebote in die harten Schädel rammen muß. Wenn über den Kommunismus
    gesprochen wurde, dann saß ein gebildetes Fräulein wie Jekaterina Popowna bei ihnen, das mit Leuten aus der ganzen Welt Gespräche
    führte und viel hübscher und leichter zu reden wußte als der
    Parteisekretär eines Dorfes, dessen Gedanken von Mais und Hirse
    angefüllt sind. Selbst über eine scheinbar so unbedeutende Sache wie Margarine hatte Timm Gespräche gehört, in denen es um
    Südamerikanische Staatspräsidenten und um Kontinente voller
    Kramläden ging, zwischen denen Frau Bebbers Bäckerladen nur ein
    kaum sichtbares Sandkorn war.
    Es wäre einfach gelogen, wollte man behaupten, Timm hätte sich
    unbehaglich gefühlt in dieser Wolkenhöhe über der Welt. Hier war ja das Leben leicht. (Zumal für jemanden, der am Lachen krankte.)
    Überdies konnte ein Junge mit flinken Gedanken hier viel erfahren und lernen.
    Aber der Bäckerladen von Frau Bebber, in dem es nach Brot und
    frischen Krapfen roch, diese kleine Pfennigwelt der Nachbarn, diese Klatschgeschichten-Schatulle, gepolstert mit braunen Broten, sie
    erschien dem Jungen unendlich viel liebenswerter als ein Hotel
    Palmaro oder ein mesopotamisches Schloß.
    Es war übrigens merkwürdig, daß der Baron die Geburtsstadt des
    Jungen wie ein heißes Eisen mied. Mehrere Male hatte Timm den
    Wunsch geäußert, sie zu besuchen; aber Lefuet, der niemals direkt nein gesagt hatte, überhörte den Wunsch oder schützte dringende
    Besprechungen in anderen Städten vor.
    Als das Reisejahr sich seinem Ende näherte, hatte Timm alle
    Mühe, äußerlich gleichmütig zu bleiben und dem Baron weiter die
    Rolle des zufriedenen reichen Erben vorzuspielen. Je näher sein
    Geburtstag rückte, um so unruhiger

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