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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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es nicht.
    „Baron?“
    „Ja, bitte?“
    „Liegt Ihnen etwas an den Reederei-Aktien?“
    Lefuet blickte Timm forschend an. Der Junge verzog keine
    Miene. Das Rauschen einer verkehrsreichen Straße näherte sich
    ihnen.
    Endlich sagte der Baron mit jener Beiläufigkeit, die Timm seine
    Erregung verriet: „Diese Reederei ist die kleine Perle, die in der Krone meines Königreichs der Meere noch fehlt; sie ist, alles in
    allem, keine sehr bedeutende Sache; aber, wie gesagt, sie wäre eine hübsche Abrundung.“
    Wenn der Baron, so wie jetzt, kleine, an sich überflüssige
    Wendungen in seine Rede flocht, sprach er über Dinge, die ihm
    wichtig waren. Timm wußte das. Er sagte deshalb nichts, sondern
    wartete auf die Frage, die kommen mußte. Und sie kam.
    „Was verlangen Sie für die Aktien, Herr Thaler?“
    Timm hatte sich seine Antwort längst überlegt. Trotzdem tat er
    so, als müsse er sie erst finden. Schließlich sagte er: „Geben Sie mir dafür eine kleine, solide Reederei in Hamburg, die nicht Ihrer
    Gesellschaft gehört.“
    „Sie wollen mir doch keine Konkurrenz machen, Herr Thaler?
    Dann schnitten Sie sich ja ins eigene Fleisch.“
    „Ich denke mehr an ein Schiffahrtsgeschäft, mit dem sich unsere
    Gesellschaft nicht befaßt, Baron. Vielleicht Küstenschiffahrt.“
    Der Baron beugte sich zu dem Taxifahrer vor: „Welches ist nach
    Ihrer Meinung die einträglichste Reederei der Küstenschiffahrt in Hamburg?“
    Der Fahrer überlegte eine Weile und erwiderte schließlich: „Der
    HHD, Hamburg-Helgoland-Gästedienst. Sechs Schiffe. Sommer-
    und Winterverkehr. Im Besitz der Familie Denker.“
    „Wo finde ich Herrn Denker?“
    Der Fahrer blickte auf seine Armbanduhr und sagte: „Jetzt ist er
    in seinem Hauptkontor. Am Hafen. Brücke sechs.“
    „Fahren Sie uns zur Brücke sechs und warten Sie dort auf uns.
    Wenn ich schon bezahlen soll…“
    „Nicht nötig“, brummte der Taxifahrer, und wieder hatte Timm
    das unbestimmte Gefühl, diese Stimme schon einmal gehört zu
    haben.
    Kurz vor dem Hafen mußte das Auto längere Zeit an einer
    Verkehrsampel warten. Timm sah vor sich Kräne und Mastspitzen,
    eine Zeichnung aus senkrechten Linien vor dem taubenblauen
    Septemberhimmel. Obwohl das Fenster geschlossen war, vermeinte
    er, den Geruch des Hafens zu spüren: nach Salz und Teer und
    mildem Moder.
    Dieser Geruch, den seine Einbildungskraft schon beschwor, ehe
    er überhaupt da war, überspülte sein Gedächtnis mit Erinnerungen: In diesem Hafen hatte er sich dem Baron an die Fersen geheftet; hier hatte seine Jagd begonnen, eine Jagd durch verwirrendes Dickicht, eine Jagd ohne Beute.
    Jetzt war der Junge an den Ausgangspunkt zurückgekehrt. Was er
    allein nicht hatte erjagen können, hoffte er hier, mit seinen Freunden zu erjagen.
    Ein Kran schwenkte eine große Kiste durch die Luft, auf deren
    Bretter eine Palme gemalt war. Timm nahm sie nur flüchtig wahr; er betrachtete die Vorübergehenden. Er hoffte, daß Jonny oder
    Kreschimir oder Herr Rickert darunter seien. Sie gehörten ja zu
    diesem Bild vor ihm, zu den Kränen und Masten, zu diesem Wald, in dem die Wimpel blühten. Aber er entdeckte keinen der drei. Er
    wußte nicht einmal, ob er sie überhaupt finden würde. Ihm war
    beklommen zumute. Als das Auto wieder anfuhr, erleichterte ihn die bloße Bewegung.
    Auch der Baron hatte während des Wartens an der Ampel stumm
    den Hafen betrachtet. Aber geträumt hatte er nicht; die große Kiste mit der aufgemalten Palme hatte er mit wachen Augen gesehen. Er
    wußte, daß Palmaro-Margarine verladen wurde.
    Unter dem Weiterfahren wanderten die Gedanken beider
    Fahrgäste zu der Reederei, die sie jetzt zu kaufen beabsichtigten, zum Hamburg-Helgoland-Gästedienst. Lefuets Gedanken konnte
    man in drei Wörter zusammenfassen: Ein gutes Geschäft.
    Die Gedanken und Empfindungen Timms waren weitläufiger.
    Seine Beklommenheit wurde durch Hoffnung gemildert, seine
    Zuversicht durch eine leise Furcht beengt. Ihm selber lag nichts an dieser Reederei; ihm lag nur an einem auf der Welt: an seinem
    Lachen, an seiner Freiheit. Aber er mußte dieses papierene Spiel um Reichtümer, das man Geschäft nennt, durchstehen. Wenn er selber
    schon von all seinem Reichtum nichts hinüberretten konnte in das
    neue Leben, sollten doch wenigstens seine Freunde einigen Nutzen
    davon haben. Diese Reederei sollte ein Teil seines Dankes sein –
    sofern er das zurückbekam, für das er danken wollte!
    Das Auto hielt jetzt vor der Brücke

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