Timm Thaler
mein
Appartement.
Lefuet“
Timm ging hinauf zum Baron. Aber zuvor suchte er kurz sein
eigenes Appartement auf, legte die Lupe in die kleine Hausapotheke an der Wand des Badezimmers und steckte das winzige Papier
Jonnys zusammengerollt in ein fast leeres Glasröhrchen für
Kopfschmerztabletten. Dann erst begab er sich zum Baron.
Lefuet pflegte bei wichtigen Gesprächen einen Notizzettel mit
Stichworten in der Hand zu haben. Auch diesmal sah Timm ein
solches Zettelchen. Es standen drei Wörter darauf, die
untereinandergeschrieben waren. Der Junge konnte sie nicht genau
entziffern; zweifellos handelte es sich bei dem ersten Wort jedoch um den Namen „Rickert“.
„Morgen, Herr Thaler“, begann der Baron das Gespräch, „morgen
läuft die Frist für unsere kleine Abmachung über Herrn Rickert ab.
Wenn Sie bis morgen keine Verbindung mit Ihren Hamburger
Freunden aufnehmen, wird Herr Rikkert wieder als Reedereidirektor eingesetzt werden. Er kann aber seines Alters wegen sofort ehrenvoll pensioniert werden. Mit einem hohen monatlichen Ruhegehalt.
Leider müssen wir morgen nach Kairo fliegen, weil eine ägyptische Firma auf den Markennamen Palmaro Anspruch erhebt. Wenn Sie
also mit Ihren Hamburger Freunden sprechen möchten, müßten Sie
es heute tun. Dann wäre aber unsere Abmachung nicht erfüllt, und
Herr Rickert müßte weiter Hafenarbeiter bleiben.“
„Hafenarbeiter?“ fragte Timm erschrocken.
„Ja, Herr Thaler: Hafenarbeiter. Er ist übel dran. Es geht ihm gar nicht gut in seinem Alter. Ich denke daher, daß Sie ihn aus seiner traurigen Lage befreien und keine Verbindung mit Herrn Kreschimir, Herrn Jonny und Herrn Rickert aufnehmen werden, oder?“
Lefuet sah den Jungen mit beinahe ängstlicher Aufmerksamkeit
an. Und Timm wußte, warum: Einer seiner Freunde mußte den
Schlüssel zu seinem Lachen in der Hand haben, und der Baron
schien das zu ahnen. (Er vermied diesmal auch jede Andeutung eines Lachens.)
„Herr Rickert soll wieder Reedereidirektor werden!“ sagte Timm
fest.
„Dann bleibt es also bei unserer Abmachung, Herr Thaler?“
Der Junge nickte. Aber sein Nicken war eine Lüge. Er dachte gar
nicht daran, seine Freunde zu meiden. Im Gegenteil: Er mußte sie
noch an diesem Tage treffen, da es morgen zu spät war. Trotzdem
würde Herr Rickert Reedereidirektor werden; aber nicht bei dem
Baron, sondern in Timms eigener Reederei, die ihm heute morgen
überschrieben worden war, beim HHD.
Lefuet blickte auf seinen Notizzettel (er schien sichtlich
erleichtert) und sagte: „Punkt zwei, Herr Thaler, betrifft…“ Der
Baron zögerte, sprach das Wort aber dann doch aus: „Punkt zwei
betrifft Ihr Lachen.“
Wieder ein forschender Blick auf Timm. Aber der Junge hatte
durch den Baron selber gelernt, Gemütsregungen hinter der Maske
des Gleichmuts zu verbergen. Sogar seine Stimme hatte er in der
Gewalt, als er fragte: „Was ist mit meinem Lachen, Baron?“
„Vor einem Jahr, Herr Thaler, habe ich im Roten Pavillon meines
Schlosses erprobt, ob und wieviel Ihnen noch an Ihrem Lachen liegt.
Ich lieh es Ihnen damals für eine halbe Stunde, und ich erfuhr bei diesem kleinen Experiment, daß Sie immer noch heftig nach Ihrem
Lachen verlangten. Eben habe ich, ohne daß Sie es bemerkt haben,
wieder eine kleine Probe angestellt. Diesmal ist das Ergebnis
erfreulich. Sie verzichten freiwillig auf eine Begegnung mit den drei einzigen Leuten, die von unserem Vertrag wissen und die Ihnen
notfalls Ratschläge geben könnten.“
Der Baron lehnte sich zufrieden in seinen Sessel zurück.
„Offenbar haben Sie im letzten Jahr gelernt, Macht, Reichtum und
ein angenehmes Leben höher einzuschätzen als ein kleines Lachen.“
Timm nickte nur. Und diesmal war es eine halbe Lüge. Er hatte
tatsächlich Gefallen daran gefunden, immer gut gekleidet zu sein und jederzeit behagliche Zimmer, ein Bad und reichlich Kleingeld zur
Verfügung zu haben. Aber so groß war sein Gefallen an diesen
Dingen nicht, daß er dafür auf ewig ein Mensch ohne Lachen bleiben wollte.
„Ich schlage Ihnen nun…“ (Lefuet beugte sich wieder vor) „…
einen Zusatzvertrag vor.“
„Welchen, Baron?“
„Folgenden, Herr Thaler: Ich verpflichte mich, Ihnen die
Staatsbürgerschaft eines Landes zu besorgen, in dem Sie mit dem
heutigen Tage volljährig sind und sofort Ihr Erbe antreten können.“
„Und wozu muß ich mich verpflichten, Baron?“
„Zu zweierlei, Herr Thaler: erstens niemals Ihr
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