Timm Thaler
viele böse Unbegreiflichkeiten hindurchgerettet,
daß es gehärtet wurde wie ein Diamant. Ihr Lachen ist unzerstörbar, Herr Thaler!“
„Aber ich bin zerstörbar, Baron“, entgegnete Timm sehr ernst.
„Eben“, sagte Lefuet. (Ehe der junge Mann den häßlichen Sinn
dieses Wörtchens „eben“ begriffen hatte, waren sie im Hotel
angekommen.)
Der Direktor sagte: „Hallo, Mr. Brown.“
Der Baron nickte zerstreut einen Gruß.
Oben, vor Timms Appartementstür, sagte Lefuet: „Was wollen
Sie eigentlich mit den Stimm-Aktien, Herr Thaler? Die müßten Sie
doch laut Vertrag an Mister Penny abtreten.“
Timm dachte verzweifelt: „Schon wieder spricht er von
Verträgen. Ein ganzer Geburtstag voller Papiere!“ Ihn zog es jetzt zu einem winzig kleinen Papier, einem eingerollten Zettel in einem
Glasröhrchen. Es fiel ihm schwer, dem Baron eine Antwort zu
geben. Aber er brachte es über sich zu sagen: „Vielleicht liegt mir daran, daß Mister Penny mehr Stimm-Aktien bekommt, Baron!“
„Hm“, machte Lefuet nachdenklich. Dann sagte er: „Ich habe
heute noch einige wichtige Besprechungen. Was werden Sie tun?“
Timm faßte sich an die Stirn. „Die Kopfschmerzen lassen nicht
nach, Baron. Ich werde mich hinlegen.“
„Tun Sie das“, lachte Lefuet. „Schlaf ist die beste Medizin.“ Dann ging er.
Timm aber schloß ungeduldig die Tür auf, trat ein in den Salon,
schloß hinter sich wieder ab und stürzte in das Badezimmer.
Einunddreißigster Bogen
Ein geheimnisvoller Zettel
Timm schaltete im Badezimmer nur die Lampe über dem
Waschbecken und dem Spiegel an. Dann holte er die Lupe aus der
kleinen Hausapotheke und den Zettel aus dem Glasröhrchen für
Kopfweh-Tabletten. Sein Herz schien in der Gurgel zu sitzen, so
stark war dort das Schlagen zu spüren.
Ehe der junge Herr im eleganten grauen Flanellanzug aber den
Zettel las, vergewisserte er sich noch einmal, daß die Tür des
Badezimmers verschlossen war. Dann stellte er sich neben das
Waschbecken, blickte durch die Lupe auf das kleine Papier und war
– Flanell hin, Flanell her – nur noch ein maßlos aufgeregter Junge.
Die Lupe in der Hand zitterte; dennoch vermochte Timm die
Schrift zu entziffern. Er las mit wachsendem Erstaunen: Besuche Schwan-Kleb-An. Gewinne, was die Prinzessin gewann. Der Weg ist einfacher, als du denkst. Der Herr, der von Südwind abriet, zeigt ihn dir. Nimm einen Taxichauffeur, den du kennst. Er bewacht das Haus der Räte. Wähle die (schwarze!) Stunde der Straßenbahnen. Fürchte die Ratte und täusche sie. Der Weg ist einfach. Aber wähle
Hintertreppen, um zu ihm zu gelangen. Vertrau uns und komm!
Timm ließ Zettel und Lupe sinken und setzte sich auf den Rand
der Wanne. Er zitterte immer noch vor Erregung, aber sein Kopf war klar. Er wußte: Diese Nachricht war verschlüsselt für den Fall, daß Lefuet sie in die Finger bekäme. Jetzt galt es, die versteckten
Hinweise und Anspielungen zu entschlüsseln.
Wieder stellte er sich neben dem Waschbecken unter die Lampe
und las die Nachricht langsam zum zweiten Male: Besuche Schwan-Kleb-An.
Das war einfach zu begreifen: Timm sollte dorthin kommen, wo
er das Marionettenspiel gesehen hatte. Nach Ovelgönne ins
Gasthaus.
Gewinne, was die Prinzessin gewann.
Das war noch einfacher zu verstehen. Es war die wichtigste und
köstlichste Nachricht des Papierchens. Sie hieß ganz einfach:
Gewinne dein Lachen zurück! Und daß das möglich war, zeigte der
nächste Satz:
Der Weg ist einfacher, als du denkst.
Aber was bedeutete das Folgende?
Der Herr, der von Südwind abriet, zeigt ihn dir.
Timm mußte in seinem Gedächtnis nachgraben. Doch dann kam
er darauf: Südwind war ein Pferd gewesen! Das letzte Pferd, auf das er gewettet hatte. Und ein Herr, der ihm damals noch unbekannt
gewesen war, hatte ihm abgeraten, auf das Pferd zu setzen:
Kreschimir!
Kreschimir also wußte, wie Timm zu seinem Lachen kommen
konnte! Der Junge hatte es geahnt. Aber die Gewißheit überwältigte ihn. Er mußte sich wieder auf den Rand der Wanne setzen. Das Licht war hell genug, um hier den Zettel weiterlesen zu können:
Nimm einen Taxichauffeur, den du kennst. Er bewacht das Haus
der Rute.
Der Taxichauffeur war Jonny. Daran zweifelte Timm keine
Sekunde. Aber „das Haus der Räte“?
Über dieser ziemlich einfachen Verschlüsselung brütete Timm
eine ganze Weile, ehe ihm klar wurde, was gemeint war: natürlich
das Rathaus. Es war ja in unmittelbarer Nähe seines
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