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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Jahren
    fremd geworden war: Erschrecken! Und zum erstenmal seit Jahren
    fühlte er wieder so etwas wie Gewissensbisse. Nicht etwa, weil er etwas Böses getan hatte (für Gut und Böse fehlte ihm das Organ),
    sondern weil er sah, daß er eine Dummheit gemacht hatte.
    Dieses kostbare Gassenjungen-Lachen, blank und gehärtet wie ein
    Diamant, dieses Kullern mit dem Schlucker dran, hätte er auf andere, einfachere Weise in seinen Besitz bringen müssen: nicht Punkt für Punkt mit einem feilschenden Vertragspapier; nicht aus Geiz mit der Hokus-Pokus-Fähigkeit, Wetten zu gewinnen; sondern…
    Der Gesprächspartner Lefuets betrat plötzlich den Waschraum
    und sah das blaßgewordene, leicht verzerrte Gesicht des Barons. Er mußte annehmen, daß Lefuet wegen des Markennamens „Palmaro“
    so verstört war, und Lefuet mußte annehmen, daß der ägyptische
    Vertreter eben dies annahm. Es war eine verteufelte Lage. Der Baron wagte nicht einmal, das Lachen ins Spiel zu bringen, weil er sich dieses Lachens plötzlich nicht mehr sicher war. Er sagte deshalb, indem er sehr unglaubwürdig eine Übelkeit vortäuschte: „Ich werde morgen alles in Kairo besprechen. Mir ist nicht wohl. Die
    Hummermayonnaise…“
    Dann verließ er den Waschraum und den Alsterpavillon und
    rannte mit langen Schritten – ein fliegender Heuschreck – zu seinem Hotel. Die Spaziergänger auf dem eleganten Jungfernstieg – dezent gepuderte Damen und gemessen schreitende Herren – bemerkten bei
    seinem Anblick mit gehobenen Brauen: „So s-türzt man doch nücht
    über den Jungferns-tieg, wie ungebüldet!“
    Lefuet hörte und sah nichts davon. Er spürte, daß ihm das Lachen
    zu entgleiten drohte, und er ahnte, auf welche Weise. Deshalb wollte er retten, was zu retten war, es festhalten mit Zähnen und Klauen.
    Deshalb rannte er jetzt über den Neuen Jungfernstieg, sprang
    beinahe, ohne auf die Menschen und den Verkehr zu achten, stürzte blindlings vorwärts, einem Wahnsinnigen ähnlich, strauchelte mitten auf dem Fahrweg vor dem Hotel, hörte Bremsen quietschen und
    Leute schreien, fühlte es heiß die Hüften entlangrinnen und schrie, bevor er ohnmächtig wurde: „Timm Thaler!“
    Dieser Verkehrsunfall kam ebenso plötzlich wie folgerichtig.
    Furcht erzeugt Unsicherheit. Unsicherheit verwirrt. Verwirrung
    erzeugt Unfälle. Es war folgerichtig, daß der Baron vor ein Auto
    geriet, als er um das Lachen zu fürchten begann. Im übrigen war der Baron körperlich zäher, als es auf den ersten Blick den Anschein
    haben mochte. Auch hatte das Auto in letzter Sekunde bremsen
    können. Lefuet war nicht unter die Räder gekommen. Seine
    Bewußtlosigkeit war nur eine Folge des Sturzes.
    Zwei Detektive, die hinter ihm hergekeucht waren, hoben ihn ins
    Krankenauto, das schon fünf oder sechs Minuten später an Ort und
    Stelle war. Die Detektive begleiteten den Baron auch ins Hospital, wo er ziemlich bald aus der Ohnmacht erwachte. Seine ersten Worte waren allen Leuten im Krankenzimmer völlig unverständlich. Er
    sagte: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“ Dann kam der Arzt
    herein, und Lefuet sagte seinen Detektiven mit müder Stimme, er
    könne sie jetzt entbehren. „In Hospitälern“, fügte er scherzend hinzu,
    „ist man durch die Pietät am besten geschützt.“ Er lachte dabei ein wenig, und das kleine Gelächter schien ihm gut zu tun.
    Die Detektive verließen das Krankenzimmer, und Lefuet wurde
    eingehend untersucht. Er hatte einige Prellungen davongetragen und eine leichte Gehirnerschütterung. Man verordnete leichte Kost und Bettruhe für einige Tage. Außerdem wurde ihm geraten, möglichst
    keine Besuche zu empfangen.
    Trotzdem erhielt Lefuet noch am selben Tage merkwürdigen
    Besuch. Es war ein kleiner mickriger Mann mit Nickelbrille. Er hatte ein zerknittertes Gesicht und einen zerknitterten Anzug. Die
    Stationsschwester wunderte sich, daß ihr Patient, der ein feiner Herr zu sein schien, mit solchen Leuten verkehrte.
    Lefuet stellte dem Mann ein paar Fragen und gab einige
    Anweisungen.
    „Haben Sie den Jungen seit der Geschichte auf dem Rennplatz
    wiedergesehen?“
    „Nein, Herr Baron.“
    „Leiser, mein Lieber! Ich bin Mister Brown.“
    „Jawohl, Herr… Mister Brown. Ich wollte Ihnen noch sagen, daß
    ich den Jungen von Zeitungsbildern kenne.“
    „Das ist wenigstens etwas. Aber sehen Sie ihn sich trotzdem noch
    einmal an, wenn’s möglich ist. Aber unauffällig.
    Möglicherweise erkennt er Sie wieder. Die Nickelbrille

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