Timm Thalers Puppen
einfach zu behandeln
Und stets reinlich und adrett.
Aber die Gebrauchsanweisung
Sei von dir genau studiert,
Wenn per Post und in Vereisung
Dir der Mensch geliefert wird:
Ist er nach rund sieben Tagen
Aufgeweicht und abgetropft,
Wird an Kopf und Brust und Magen
Er behutsam abgeklopft.
Hiernach prüft man die Gelenke,
Ob ein jedes funktioniert;
Und auf daß er ja nicht denke,
Wird der Kopf ihm bandagiert.
Danach lehrt man ihn das Stehen
Und das Sätzchen »Zu Befehl«,
Lehrt ihn greifen, lehrt ihn gehen,
Lehrt ihn essen Pamps mit Mehl.
Ist er soweit fortgeschritten,
Funktioniert er schon; und nun
Kann man ihn ganz zwanglos bitten,
Dies und das im Haus zu tun.
Noch sechs Tage muß man warten,
Auch wohl sieben oder acht,
Bis der Wegwerfmensch den Garten
Und das Auto saubermacht.
Doch man wartet nicht vergebens;
Denn zum Schluß, wenn er das kann,
Steht er für den Rest des Lebens
Ohne Murren seinen Mann.
Er ist billig und bescheiden,
Willig, treu und pflegeleicht
Und ein Mensch, der ohne Leiden
Siebzig Jahre leicht erreicht.
Ist er nicht mehr zu gebrauchen,
Läßt man ihn durch »Moritur«
Seinen letzten Hauch aushauchen
Und ruft dann die Müllabfuhr.
Nichts, was eklig oder peinlich,
Bleibt von ihm zurück im Haus.
Wie er kam, adrett und reinlich,
Trägt man ihn zur Tür hinaus.
Das war die Gebrauchsanweisung.
Für den Wegwerfmenschen.
Ja, Aufgetaut aus der Vereisung,
Ist er immer für dich da.
Ohne Tränen und Erregung
Ist er treu bis an das Grab.
Keinerlei Gemütsbewegung
Fordert dieser Mensch dir ab.
Aber seh ich ihn so laufen,
Kühl und kalt nach Protokoll,
Werd ich ihn wohl doch nicht kaufen -
Falls es ihn einst geben soll.
»Hoffen wir, daß es diesen Wegwerfmenschen niemals geben wird«, sagte ich lachend, als Timm das Gedicht vorgetragen hatte. Dann trennten wir uns, da es schon spät war. Timm ging mit den beiden Marionetten zu seinem Zimmer, und ich sagte dem Portier telefonisch Bescheid, daß er mich am nächsten Tag um sieben Uhr wecken möge,- denn ich wollte Timm bei seinem Gang zu dem Antiquitätenhändler Marinetti unbedingt begleiten und dort sein, wo auch der Baron war,- denn dessen Warnung, Krescho könne zu Schaden kommen, machte mir immer noch angst.
DER FÜNFUNDSECHZIGSTE TAG, AN DEM
BEIM
ALTEN
MARINETTI
PUPPEN
GETAUSCHT UND VERKAUFT WERDEN, AN
DEM WIR ZU DEM ADELSSPROSS FAUSTO
CANTRINI FAHREN UND AN DEM WIR IN
EINEM ALTEN PALAZZO DER GESCHICHTE
VOM LANGEN WEG NACH WIED AM BACH
LAUSCHEN. LÄSST MICH WIEDER IN TIMMS
BUNGALOW ÜBERNACHTEN, WEIL UNS DER
BARON HIER AM NÄCHSTEN TAG MIT
SEINER YACHT ABHOLEN WILL.
Im Antiquitätengeschäft des alten Marinetti war es dunkel.
Nur durch das über und über vollgestopfte Schaufenster und durch die Eingangstür, die offen war, kam Licht herein, aber nicht viel: denn Marinettis Geschäft befand sich in einer der engsten Gassen Venedigs.
Timm stand mit dem alten Mann, der eine Hausjacke mit schnörkeligem Besatz und auf dem Kopf ein lila Käppchen trug, nahe der Eingangstür vor vielen staubigen Spiegeln und zeigte ihm seine beiden alten Marionettenpuppen.
»Vermutlich sechzehntes Jahrhundert«, sagte, über seine Brille lugend, Marinetti.
»Ja«, sagte Timm, »von fünfzehnhundertsechsundvierzig.«
Er hielt die Puppe mit dem Gesicht des Barons jetzt so, daß ich zwischen Staubgewölk in einem Spiegelglas ihr Abbild sehen konnte. Doch war das Puppengesicht darin seltsamerweise doppelt gespiegelt.
Erst als ich sah, daß eines der Gesichter eine Sonnenbrille trug, erkannte ich, daß neben dem Puppengesicht sich das Gesicht des wirklichen, des lebendigen Barons im Glase spiegeln müsse.
Ich wandte mich also um und sah nun vor der Tür leibhaftig den Baron stehen. Er redete Timm gerade an.
»Ich hörte, Herr Thaler«, sagte er, »Sie wollen Pantalones Puppen, die ich rechtmäßig erworben habe, für diese beiden Puppen eintauschen.«
»Sie haben Pantalones Puppen, Baron?« fragte Timm
erstaunt. Er blickte Marinetti an, und der Alte nickte und sagte: »Ich habe sie an den Baron verkauft.«
»Für welchen Preis?«
»Fünfhunderttausend Lire«, antwortete an Marinettis Stelle der Baron. »Ich bin trotzdem bereit, sie gegen die zwei Puppen einzutauschen.«
»Die beiden Puppen kosten zwei Millionen.«
»Zwei Millionen?« Der Baron schrie die Frage fast. Timm aber antwortete ruhig: »Das ist der Preis.«
»Und wie verträgt sich dieser Wucherpreis mit Ihrer
Auffassung vom
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