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Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Titel: Timoken und der Trank der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nimmo
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Blätterrauschen.
    Sie irrten bis zur Morgendämmerung umher. Als die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume fielen und der Gesang der Vögel den Wald zu erfüllen begann, bemerkte Timoken plötzlich, dass irgendetwas nicht stimmte. Er blickte über die Schulter zurück.
    Gabar war verschwunden.

Der Jäger
    „Gabar!“
    Timokens verzweifelter Ruf stieg zwischen den Bäumen auf und verängstigte Affen sprangen aufgeschreckt durch das Geäst.
    „Helft mir!“, rief Timoken zu ihnen hinauf. „Helft mir, ihn zu finden!“
    Er hatte seine Trauer völlig vergessen und wirkte wie ein Aufziehmännchen, hüpfte und flog zwischen den Bäumen umher und rief nach dem Kamel, der einzigen Familie, die er noch hatte.
    Die Vögel und Affen wiederholten seine Rufe: „Gabar! Gabar! Gabar!“
    Doch die Antwort, die Timoken so sehr herbeisehnte, blieb aus. Es war bereits Nacht, als er endlich einen müden, widerwilligen Laut vernahm.
    Gabar hockte im Mondlicht. Als Timoken sich ihm näherte, schlug er die Augen auf, doch es war nicht zu erkennen, ob er froh darüber war, den Jungen zu sehen.
    „Gabar, bist du krank?“ Timoken setzte sich neben das Kamel und tätschelte seinen Hals.
    Gabar kaute auf einem dicken Blatt herum. Er mochte den Geschmack nicht, doch es gab nichts in diesem Wald, das nicht bitter schmeckte. „Mir brummt der Schädel“, sagte er, „mir ist übel und meine Füße tun weh.“
    Timoken seufzte. „Tut mir leid, Gabar.“
    „Tut dir leid?“, fragte das Kamel verständnislos.
    „Ich bin traurig deinetwegen“, erklärte Timoken.
    „Nein“, erwiderte das Kamel. „Du bist traurig wegen deiner Schwester, die fort ist. Aber nicht meinetwegen. Wenn es so wäre, würdest du den Wald verlassen.“
    „Ich kann nicht“, stöhnte Timoken. „In meinem Volk ist es üblich, im Wald zu trauern. Ich kann ihn jetzt noch nicht verlassen, weil ich um meine Schwester trauere.“
    „Üblich?“, schnaubte Gabar. „Unter Kamelen ist es üblich, durch Sand zu laufen. Deshalb sollte ich dich jetzt besser verlassen und in die Wüste zurückkehren.“ Damit erhob er sich und entfernte sich langsam.
    „Gabar, nein!“, rief Timoken verzweifelt und rannte dem Kamel nach. „Bitte bleib bei mir!“
    „Wenn ich hierbleibe, werde ich sterben“, schnaubte Gabar.
    „Aber du bist meine Familie“, jammerte Timoken. „Und ich dachte, ich wäre deine.“
    „Auf Wiedersehen, meine Familie“, erwiderte das Kamel.
    Timoken erkannte, dass er keine Wahl hatte. Wenn er nicht allein bleiben wollte, musste er Gabar folgen. Das Kamel sehnte sich mit jeder Faser seines Körpers zurück in die Welt, die ihm vertraut war. Also gelobte Timoken, dass er später um seine Schwester trauern werde. „Ich werde dich niemals vergessen, Zobayda“, murmelte er. „Doch Gabar ist jetzt die einzige Familie, die ich noch habe.“
    Der Wald wurde allmählich lichter und die Hitze nahm zu. Bald würden sie aus dem Schatten der Bäume treten. Die Stimmen der Tiere veränderten sich. Hier gab es nicht mehr so viele Affen und Vögel.
    Plötzlich vernahm Timoken einen Laut, der durch die Luft schnitt, so schnell, dass er kaum hörbar war. Es folgte ein würgendes, schmerzerfülltes Brüllen. Dann trat absolute Stille ein.
    Der Wald schien den Atem anzuhalten. Timoken lief ein kalter Schauer über den Rücken. Und mit einem Mal rannte er los.
    Das Kamel trabte hinter ihm her.
    Als sie an eine Lichtung kamen, suchte Timoken das dichte Gestrüpp mit den Augen ab. Was war hier passiert? Sollte er hierherkommen? Das verzweifelte Brüllen hatte ihn an diesen Ort geführt. Oder war es nicht vielmehr Schicksal gewesen?
    In diesem Moment zog eine Bewegung im Schatten der Bäume seine Aufmerksamkeit auf sich. Timoken rang nach Luft. Der halb verrottete Ast, der gegen einen Baum lehnte, war in Wirklichkeit ein lebendiges Wesen. Es war groß und spindeldürr und sein grünes Haar hing in lianenähnlichen Strähnen an seinem Körper herab. Ein Köcher mit Pfeilen hing am Gürtel um die Taille der Kreatur und die wurzelähnlichen Finger ruhten auf der Spitze eines großen Bogens. Ein Viridee.
    Endlich drangen wieder Geräusche an Timokens Ohren. Der Wald schien aus seiner Erstarrung erwacht zu sein. Timoken hörte ein Fauchen und Winseln und kurz darauf das unverkennbare Knirschen von Knochen. Hinter dem Viridee-Jäger zerriss gerade ein Rudel Hyänen den Kadaver einer kleinen Gazelle.
    Timoken spürte den bohrenden Blick des Viridees auf sich. Seine Augen waren

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