Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
lächelte. „Aber ihr wisst nicht, wie ihr das Feuer anzünden sollt.“
„Edern hat uns erzählt, dass du es kannst“, sagte Mabon.
Als Timoken sich vor die Feuerstelle hockte, wurde ihm klar, dass diese Kinder schon fast alles über ihn wussten, und er erinnerte sich an die Warnung seiner Schwester. Aber wie hätte er seine Geheimnisse bewahren sollen? Was hättest du an meiner Stelle getan, Zobayda?, dachte er. Er legte den Finger mit dem Ring auf die trockenen Zweige und sie fingen augenblicklich Feuer.
Während die Kinder sich staunend um ihn drängten und aufgeregt miteinander tuschelten, spürte Timoken einen heftigen Schmerz, der seinen Finger durchzuckte, den Arm hinaufschoss und ihn mitten ins Herz traf. Er stand auf und entfernte sich vom Feuer. Nur eines der Kinder bemerkte, dass er plötzlich heftig zitterte.
„Was ist mit dir, Timoken?“, fragte das Mädchen aus dem Käfig. „Tut dir etwas weh?“
Im nächsten Augenblick waren die Schmerzen verschwunden und Timoken antwortete wahrheitsgemäß: „Nein. Es ist nichts.“
„Bist du sicher?“ Das Mädchen berührte sanft seinen Arm. Im Kerzenlicht leuchteten ihre Augen in einem tiefen violetten Blau. Sie war noch ein Kind, aber Timoken erkannte schon jetzt ihre künftige Schönheit. Die Bänder in ihrem Haar waren aus feinster Seide und ihr Kleid war mit goldener Spitze besetzt. Sie muss tatsächlich etwas Besonderes sein, dachte er. Gerade wollte er sie nach ihrem Namen fragen, als sie sich vorstellte: „Ich heiße Beri.“
Sobald die Suppe fertig war, füllten die Kinder ihre Schalen und drängten sich auf den Bänken zusammen, die an beiden Seiten des Tisches aufgestellt waren. Einige begannen schon zu essen, bevor sie sich überhaupt hingesetzt hatten.
„Was war das?“ Gereint sah zur Tür.
Timoken hatte es auch gehört. Ein leises, schlurfendes Geräusch, dem eine Art Kratzen folgte. Langsam wurde der Riegel zur Seite geschoben und die Tür öffnete sich knarrend.
Ein uraltes Gesicht erschien daraufhin im Türrahmen. Es war so runzlig, dass kaum zu erkennen war, ob es einem Mann oder einer Frau gehörte. Doch als sich die Gestalt weiter in den Raum schob, sahen die Kinder, dass es sich um eine alte Frau handelte. Sie trug ein graues Schultertuch um den gebeugten Rücken und ihre Kleider hingen locker an ihrem dürren Leib herab.
„Kinder“, krächzte sie. „Tote oder Geister?“
„Wir sind nicht tot.“ Timoken stand auf.
Die alte Frau starrte ihn entsetzt an. „Du!“, rief sie. „Du bist derjenige, nach dem er gesucht hat!“
Timoken schauderte unter dem anklagenden Blick der alten Frau. „Wer sucht nach mir?“, fragte er mit schwacher Stimme.
Die trockenen, faltigen Lippen bebten, als die Frau versuchte ein Wort zu formen. „Der Hexenmeister“, stieß sie schließlich keuchend hervor. Dann brach sie zusammen.
Der Hexenmeister
Mabon und Peredur trugen die alte Frau zu der Matratze und legten sie vorsichtig darauf. Ihre Augenlider zuckten und sie holte tief und geräuschvoll Luft.
Timoken kniete sich neben sie. „Madame, wer ist dieser Hexenmeister?“, fragte er.
Die Alte lachte bitter. „Wer weiß das schon?“ Bei ihrem nächsten Atemzug bekam sie einen Hustenanfall, und als sie ihn überstanden hatte, fuhr sie fort: „Ich habe alles mit angesehen, doch dann bin ich eingeschlafe n – und danach war es zu spät, um die anderen zu warnen.“
Als sie wieder zu husten begann, brachte ihr Marie, eines der französischen Mädchen, einen Becher Wasser. Doch die alte Frau schrie: „Geh weg mit dem Gift!“, und schlug dem Mädchen den Becher aus der Hand.
„Das ist reines Regenwasser“, beruhigte Timoken sie.
„Wirklich?“ Die Augen der Frau verengten sich argwöhnisch.
„Wir haben auch davon getrunken, und wie Ihr seht“, Timoken breitete die Arme aus und sah sich in der Runde um, „sind wir alle noch am Leben.“
Die Alte stieß ein misstrauisches „Hm!“ aus und setzte von Neuem an: „Sie sind alle gestorben, müsst ihr wissen. Die anderen. Als ich aufwachte, konnte ich das Stöhnen und Ächzen aus ihren Häusern hören. Ich sah Männer, Frauen und Kinder, die sich zu Monsieur Clements Haus schleppten und sich immerzu erbrachen. Er ist Arzt und seine Mixturen haben schon vielen Menschen geholfen. Doch Monsieur Clement war bereits tot.“ Die Alte begann wieder zu husten, doch diesmal nahm sie das Wasser an, das Marie ihr anbot.
Timoken sah geduldig zu, wie sie den Becher leerte. Er wollte
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