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Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Titel: Timoken und der Trank der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nimmo
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alten Frau. „Mein Nachbar erzählte mir, der Junge hätte verlangt, dass der Afrikaner gefangen genommen und eingesperrt werden sollte, doch Monsieur Clement hatte dies abgelehnt. Besucher seien im Dorf immer willkommen, hatte er erwidert, es sei denn, sie hätten böse Absichten. Es wäre seine Pflicht, gastfreundlich zu sein und niemandem etwas zuleide zu tun. Dann hatte er in die Menge geblickt und gefragt: ‚Habe ich nicht Recht, meine Freunde?‘ Alle Dorfbewohner hatten ihm lautstark zugestimmt, woraufhin der Junge ihn verfluchte. Als er und seine Kumpane schließlich davonritten, rief er uns noch hämisch zu, dass wir die falsche Entscheidung getroffen hätten.“
    „Und sie sind zurückgekommen“, sagte Timoken.
    Madame Grüner nickte. Sie zupfte an ihrem Rock und nuschelte unzusammenhängende Sätze vor sich hin. Timoken nahm ihre Hand. Er hatte die alte Frau nur beruhigen wollen, doch als er in ihre trüben grauen Augen blickte, sah er schlagartig vor sich, was sie vor drei Nächten beobachtet hatte: Es war dunkel, nur eine Lampe brannte draußen an Monsieur Clements Haus. Ein Junge stand neben der Pumpe und warf einen Stein in die Tränke, einen glänzenden Stein, der dem Wasser einen grünlichen Schimmer verlieh. Sodann begann er in einer rauen, hässlichen Sprache zu sprechen. Seine Stimme war für einen Jungen viel zu tief. Ein Zauberbann, dachte Timoken unwillkürlich. Bevor der Junge schließlich davonging, berührte er die Pumpe noch einmal mit den Fingern und für einen Augenblick glühte der Schwengel wie ein heißer Schürhaken.
    „Wie kannst du all dem Gestammel einen Sinn entnehmen?“, hörte Timoken plötzlich Beri neben sich sagen. Und ihm wurde bewusst, dass er Madame Grüner nicht mehr zugehört, sondern eine Szene beschrieben hatte, die in ihrem Gedächtnis gespeichert war.
    „Ich habe es mit ihren Augen gesehen“, erklärte er und spürte, wie Beri leicht schauderte.
    Madame Grüner brabbelte weiter vor sich hin und abermals begannen die Dinge, die sie gesehen hatte, vor Timokens Augen Gestalt anzunehmen.
    Es war der Morgen, nachdem der Junge den Stein ins Wasser geworfen hatte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und niemand hatte bisher die Pumpe benutzt. Madame Grüner war noch immer wach und hörte Hufgetrappel auf den Pflastersteinen. Zwei Mönche kamen ins Dorf geritten, saßen ab und sahen sich suchend um. Als sie den Stall entdeckten, liefen sie mit verstohlenen Blicken darauf zu. Das waren ohne Zweifel Pferdediebe. Doch bevor Madame Grüner einen Warnschrei ausstoßen konnte, erschien der Hexenjunge und sie bekam es mit der Angst zu tun.
    Der Junge sprach mit den Mönchen. Madame Grüner war leider zu weit entfernt, um sie zu verstehen, doch Timoken las von ihren Lippen ab und verstand alles. Die Mönche waren auf der Suche nach einem Pferd, das ihren Wagen ziehen konnte. Der Junge bot ihnen ein Tier an, das stärker war als jedes Pferd auf der ganzen Welt. Doch es gab eine Bedingung. Die Mönche sollten ihm dabei behilflich sein, einen Afrikaner auf einem Kamel zu fangen.
    „Und wie soll das gehen?“, fragte einer der Mönche. „In drei Tagen müssen wir Waren an einen Händler in St . Fleur abliefern.“ Der Junge zuckte mit den Schultern. „Macht eure Lieferung. Und bringt mir dann den Afrikaner. Das Pferd wird mich finden, wo auch immer ich bin. Ich habe diese Kreatur schließlich selbst erschaffen.“
    Die Mönche runzelten ungläubig die Stirn. Der Junge verschwand daraufhin aus Madame Grüners Blickfeld, und als er wieder auftauchte, führte er einen großen schwarzen Hengst hinter sich her. Bevor er ihn den Mönchen übergab, sprach er unablässig auf das Tier ein und strich ihm über die Nüstern. Dann hielt er einem der Männer die Zügel hin und warnte sie davor, das Wasser aus der Pumpe zu trinken. Während er dies sagte, blickte er direkt in das Fenster, hinter dem Madame Grüner stand, und ein eisiger Lichtstrahl fuhr aus seinen grünen Augen. Die Berührung mit dem grellen Licht war so schmerzhaft, dass sie ihr Gesicht bedecken musste. Dann brach sie auf dem Boden zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf. Als sie aufwachte, waren alle Dorfbewohner tot oder lagen im Sterben.
    Madame Grüners Kopf hatte sich gesenkt. Ihre Augen waren geschlossen. Sie schien eingeschlafen zu sein.
    Timoken ließ die Hand der Alten los, rieb sich den Nacken und lockerte die Schultern. Er war so müde, dass er sich am liebsten neben die alte Frau gelegt hätte. „Habt ihr

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