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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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grinste. »Die Herren Piraten haben jetzt gehörig Angst gekriegt!«
    Ich lachte, aber Heinz blieb stumm. Dann gingen wir durch die Pfarrgasse weiter bis zur »Stiege«. Dort verabschiedeten wir uns. Ich reichte Thomas die Hand. »Gute Nacht, Freund Stiefelknecht!«, sagte ich.
    »Servus, Geheimrat!« Thomas versetzte mir einen freundlichen Rippenstoß.
    Mit einem Mal fing Heinz Himmel laut zu weinen an. Er lehnte sich gegen die Hauswand, begrub den Kopf in seinen Armen und heulte wie ein Schlosshund.
    Thomas und ich sahen uns verlegen an. »Was hast du denn?«, fragte ich erstaunt.
    »I-ich habe so-so-solche Angst, dass meine Mutti nie wiederkommt!«, stieß Heinz schluchzend hervor.
    »Heul nicht!«, brummte Thomas etwas unsicher.
    Ich nahm meine Brille ab, hauchte gegen die Gläser und wischte sie mit den Ärmeln meiner Jacke blank. »Du bist ja dumm, Heinz! Morgen früh sind unsere Eltern todsicher wieder da!«
    Thomas hakte Heinz unter. »Du kannst heute Nacht bei mir schlafen.«
    Heinz sah ihn dankbar an.
    »Jetzt wird es aber Zeit, dass wir in die Falle kommen«, fuhr Thomas fort.
    Sie zogen beide die »Stiege« hinauf. Ich schaute ihnen eine Weile nach, dann machte ich kehrt und lief etwas hastig nach Hause.
    Ich knipste meine Taschenlampe an und stolperte die Treppe hinauf. Ich war ganz allein im Haus. Das war nicht sehr gemütlich. Kaum war ich in meiner Stube, schloss ich sorgfältig die Tür hinter mir ab und zog mich aus.
    Die Knoten an den Schnürsenkeln wollten natürlich nicht aufgehen. »Da muss man einmal was Besseres erfinden«, dachte ich.
    Endlich hatte ich die Schuhe herunter. Die Hose legte ich schön gefaltet über den Stuhl. Dabei fiel mir die Uhr auf den Fußboden, was mir jeden Abend passiert, weil ich immer vergesse, sie aus der Tasche zu nehmen. Gut, dass ich mir ein unzerbrechliches Glas angeschafft habe. Ich zog die Uhr auf und legte sie auf den Nachttisch. Dann schlüpfte ich in meinen Schlafanzug. Waschen konnte ich mich leider nicht, weil ich kein Wasser hatte.
    Als ich schon im Bett lag, fiel mir ein, dass ich meinem Goldfisch den ganzen Tag kein Futter gegeben hatte. Ich sprang nochmals aus den Federn und streute ein paar Ameiseneier ins Aquarium.
    Nun legte ich mich wieder hin. Ich streckte mich wohlig aus. Plötzlich ertönte durch das offene Fenster ein grauenhaftes Jaulen. Ich erschrak zuerst sehr. Aber dann wusste ich: Das war Peter, der Kater! Er saß bestimmt auf dem Dach und balgte sich mit seinen Feinden. »Dieser Peter«, dachte ich noch, »wenn der Willi ihm nicht den Wecker an den Schwanz gebunden hätte …«
    Und dann schlief ich ein.

11
    Jetzt heißt es in die Hände spucken
    Ich träumte gerade, dass ich in eine riesige Milchkanne gefallen bin: Ich paddele verzweifelt in dem abgrundtiefen Milchsee herum. Ich will die Wände hinaufklettern. Sie sind so glatt, dass ich immer wieder zurückrutsche. Jetzt schlürfe ich wie ein Wahnsinniger Milch in mich hinein. Ich hoffe, Grund unter die Füße zu bekommen. Aber die Milch wird nicht weniger. Über den Rand der Kanne gucken Federwischer, Krog und Amtsrichter Dröhne auf mich herab. Ihre Köpfe sind unheimlich groß. Sie brüllen vor Lachen und schreien in einem fort: »Ätsch! Reingefallen! Reingefallen! Reingefallen!« Mich packt eine furchtbare Wut. Ich drohe mit beiden Fäusten. Da gehe ich unter. Ich ersticke …
    Ich erwachte ganz verstört und setzte mich in meinem Bett auf. Draußen dämmerte es. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Jetzt hörte ich erst, dass unentwegt gegen meine Tür gebollert wurde. Eine Stimme rief:
    »Aufmachen! Aufmachen!!« Das war Thomas.
    Ich sprang aus dem Bett und öffnete. Thomas kam hereingestürzt. Hinter ihm Heinz Himmel.
    »Was ist denn los?«, fragte ich sehr erstaunt und rieb mir den Schlaf aus den Augen.
    »Sie sind nicht da!«, stieß Thomas dumpf hervor und ließ sich in einen Sessel fallen.
    »Wer ist nicht da?«, fragte ich dumm. Ich war noch nicht ganz bei mir.
    »Die Eltern, du Schafskopf!«, sagte Thomas mürrisch.
    »Die Eltern!«, echote Heinz. Er war sehr aufgeregt.
    »Heiliger Strohsack!«, rief ich und plumpste auf mein Bett. Mir fiel der gestrige Tag wieder ein. Die spurlos verschwundenen Eltern. Das Affentheater auf dem Geißmarkt.
    »Was machen wir nun?«, fragte ich ratlos.
    Thomas richtete sich auf. Er warf den Kopf in den Nacken zurück und machte ein trotziges Gesicht.
    »Geheimrat, jetzt müssen wir in die Hände spucken! Wir kriegen eine Menge zu tun!«,

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