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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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sagte er entschlossen.
    »Jawohl, eine ganze Menge«, wiederholte Heinz.
    »Wie spät ist es?«, wollte ich wissen. Ich suchte meine Brille. Sie lag natürlich wieder unter dem Bett.
    »Es ist noch sehr früh«, erwiderte Thomas. »Erst sechs.«
    »Vielleicht kommen die Eltern noch«, meinte ich und kroch unter dem Bett hervor. Ich setzte meine Brille auf und blickte ihn erwartungsvoll an.
    »Woher soll ich das wissen«, sagte er. »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Wir müssen Oskar und seinen Piraten zuvorkommen.«
    »Sind denn die Eltern bestimmt nicht da?«, fing ich noch einmal an.
    »Frag nicht so dumm!«, rief Thomas ungeduldig. »Wir haben schon nachgesehen. Es ist alles wie gestern. Die Elektrische fährt nicht. Kein Wasser. Kein Strom. Heinz’ Eltern sind nicht da. Meine nicht. Und deine auch nicht.«
    »Toll«, sagte ich. »Dann sind sie alle nicht da.«
    »Sehr geistreich«, fuhr Thomas fort. »Und wer weiß, ob sie heute kommen.«
    »Aber wo können sie denn sein?«, dachte ich laut und schüttelte den Kopf.
    Thomas zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber was nützt das Heulen und Zähneklappern. Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Wir müssen versuchen, die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Sonst geht’s uns an den Kragen.«
    »Vielleicht marschieren wir alle nach Kollersheim«, schlug ich zögernd vor.
    »Quatsch, Geheimrat!«, schnauzte Thomas mich an. »Was sollen wir dort sagen, etwa: ›Bitte schön, ihr lieben Leute, unsere Eltern sind ausgerückt?‹ Die würden uns ja auslachen.«
    »Das geht nicht«, stimmte ich zu. »Das wäre eine Affenschande.«
    »Na siehst du!«, fuhr Thomas erregt fort. »Wir müssen in Timpetill bleiben und uns irgendwie durchwursteln. Ewig können die Eltern uns nicht so sitzenlassen. Weiß der Teufel, was sie ausgeheckt haben! Aber eins weiß ich: Ich habe nichts ausgefressen. Ich krieche nicht zu Kreuze. Und wenn ich zehn Jahre im Finstern sitzen soll!« Er hatte sich in Wut geredet. Thomas regt sich sehr selten auf. Aber diesmal war er ganz wild.
    »Verlier nicht die Fassung!«, beruhigte ich ihn. »Ich bin ganz deiner Meinung. Ist alles halb so schlimm. Wir werden es schon schaffen.« Ich fuhr rasch in meine Hose. »Was hast du denn vor?«
    »Er hat einen blendenden Plan!«, rief Heinz Himmel bewundernd. »Schieß los!«, sagte ich zu Thomas und zog mir die Strümpfe an.
    »Oskar schläft noch wie ein Mehlsack«, begann Thomas. »Heinz und ich haben uns bei Stettners auf den Hof geschlichen und in die Wohnung hineingeguckt. Willi und Hannes schlafen auch noch wie die Murmeltiere. Wir machen uns rasch auf die Socken und sperren alle Geschäfte von innen zu. Auch die Türen, die von den Wohnungen in die Läden führen. Die Schlüssel verstecken wir gut. Dann können die Piraten nicht mehr in die Geschäfte.«
    »Großartige Sache!«, sagte ich anerkennend. Ich versuchte meine Schuhbänder aufzuknüpfen.
    Thomas entwickelte seinen Plan weiter: »Heinz hat sein Rad unten. Er saust überall hin und trommelt unsere Bande von gestern zusammen. Treffpunkt: In der ›Stiege‹, bei mir. Dann haben wir eine Kerntruppe und werden versuchen, noch mehr Anhänger zu gewinnen.«
    »Auch nicht übel«, erwiderte ich. »Und was dann?«
    Thomas kratzte sich hinterm Ohr. Er dachte eine Weile nach und sagte:
    »Das wird sich zeigen. Nun gib schon deine blödsinnigen Schuhe her! Ich werd’ dir die Dinger aufknoten!« Er riss mir die Schuhe aus der Hand und machte im Handumdrehen die Schnürsenkel auf. Er ist sehr geschickt in solchen Sachen. »So, nun komm mal in Fahrt!«, mahnte er mich. »Wir dürfen nicht zu viel Zeit verlieren. Heinz, fahr los! Du weißt Bescheid. Gib nicht nach. Sie müssen sofort raus aus den Federn. Röschen Traub muss auch mitkommen. Ausreden sind nicht erlaubt.«
    »Wird prompt erledigt, Thomas!«, rief Heinz und rannte hinaus.
    Ich hatte mir die Schuhe angezogen und machte mir einen Scheitel. »Dass man sich nicht waschen kann, ist eine Schweinerei!«, schimpfte ich. »Was denken sich unsere Eltern eigentlich! «
    »Das Waschen ist nicht so wichtig«, brummte Thomas. »Aber mein Magen knurrt wie ein hungriges Raubtier.«
    »Meinst du, meiner nicht?«, erwiderte ich ärgerlich.
    »Wir müssen was zu futtern aufstöbern«, sagte Thomas. »Sonst gibt’s gleich Stunk.«
    »Die Milch!«, rief ich erfreut. »Wozu haben wir uns gestern so abgerackert! «
    Thomas schlug mir begeistert auf die Schultern. »Geheimrat, du bist Gold wert! Wir verteilen

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