Tina Turner - Die Biografie

Dort wurde er als ein mit einer Pistole bewaffneter, drogensüchtiger Verrückter dargestellt. In der Story über Turner wurde ein „Geschäftspartner“ mit den folgenden Worten zitiert: „Ike kam für gewöhnlich mit einer großen Gruppe von Leuten ins Büro gestürmt, mit 1,80 m großen Mädels und einer Tüte Kokain. Echt total durchgeknallt. Er trug 25.000 Dollar in bar mit sich herum und hatte eine Waffe dabei. Ike kurvte dann immer in seinem neuen Rolls Royce in der Stadt herum, fuhr manchmal ins Watts-Viertel oder auch nach Laurel Canyon, um sich Koks zu besorgen.“ (23)
    Tina weiß noch, wie sie zu jenen spät in der Nacht stattfindenden Sessions ins Studio ging. Da hingen dann immer eine ganze Reihe von seltsamen Gestalten herum, die sich auf den Möbeln ausgebreitet hatten und mit glasigen Augen ins Nichts starrten. Ike befand sich mitten drin, war total auf Koks, und da er seit Tagen nicht geschlafen hatte, begann er herumzubrüllen und Tina anzuschreien, weil sie seine Songs angeblich nicht richtig sang.
    Zu jenem Zeitpunkt erschien Ann Thomas wieder auf der Bildfläche. Seit sie Mia, Ikes Kind, bekommen hatte, kehrte sie langsam wieder in sein Leben zurück. Er mietete für sie eine Wohnung hinter dem Bolic Sound Studio, so dass sie für Ike, wenn er sie brauchte, jederzeit als Geliebte frei verfügbar war.
    Ann erinnert sich daran, dass sie Ikes Spazierstöcke verstecken musste, für die er anscheinend ein gewisses Faible hatte. Er benutzte sie nicht nur zum Spazierengehen, sondern verprügelte auch Ann und die Sekretärinnen im Aufnahmestudio damit. Wie Tina, so wusste auch Ann nie genau, wann Ike auf sie losgehen würde.
    Ikes und Tinas vier Kinder berichten ebenfalls davon, dass sie nie wussten, wann ihr Vater sich in einem plötzlichen Wutanfall an ihnen auslassen würde. Schließlich lernten sie, Ikes Laune danach einzuschätzen, wie viele Tage es her war, dass er das letzte Mal zum Schlafen nach Hause gekommen war. Wenn er nur ein oder zwei Tage am Stück auf gewesen war, konnte er durchaus noch ganz vernünftig sein. Doch in den Zeiten, in denen er drei oder vier Tage hintereinander nicht geschlafen hatte, war er eine wandelnde Zeitbombe.
    Bei der Grammy-Verleihung 1972, bei der Veröffentlichungen des Vorjahres ausgezeichnet wurden, gehörte Ike & Tina Turners Version von „Proud Mary“ zu den nominierten Titeln. Sowohl Ike als auch Tina waren darüber begeistert, dass der Song den Preis in der Kategorie „Beste Rhythm & Blues-Performance eines Duos oder einer Gruppe“ gewann.
    ‚Nuff Said, das nächste Album der Band, welches bei United Artists Records herauskam, wich von der bei Workin’ Together angewandten Erfolgsformel ab. Statt Rocksongs neu zu interpretieren, entschied sich Ike für eine Rückkehr zu seinem alten Sound. Dadurch schaffte es ‚Nuff Said nur auf Platz 108 der Charts. Auf dem Album war eine von Ike Turner produzierte Version von „River Deep – Mountain High“ zu hören. Es handelte sich dabei um eine Standardversion, die aber überhaupt nicht an die Dynamik von Phil Spectors grandioser Aufnahme heranreichte. Das Album wurde also seinem Titel gerecht, denn es lohnte sich nicht, darüber noch viele Worte zu verlieren.
    Sehr bald darauf folgte das Album Feel Good (United Artists Records/1972). Es beinhaltete ein älteres, aber amüsant klingendes Tanzstück namens „If You Can Hully Gully (I Can Hully Gully Too)“, eine seltene Jazznummer für Tina („Black Coffee“) und „She Came In Through The Bathroom Window“ von den Beatles in einer Version von den beiden Turners. Die Platte landete auf Platz 160 der Billboard-Charts. Im selben Jahr schaffte es eine Single namens „Up in Heah“ auf Platz 83 der US-amerikanischen Pop-Singlecharts.
    1973 brachten sie das Album Let Me Touch Your Mind bei United Artists Records heraus, mit dem sie allerdings überhaupt keinen Erfolg hatten. Darauf waren Tinas Versionen der Songs „Up On The Roof“, „Born Free“ sowie Stevie Wonders „Heaven Help Us All“ zu hören. Eine der interessantesten Aufnahmen ist ein Lied namens „Annie Had A Baby“. Dachte Ike, als er diesen Song schrieb, dabei an Anna Mae Bullock, Ann Cain oder Ann Thomas? Zweifelsohne bezog sich das Stück auf alle drei Frauen, denn sie hatten ja schließlich alle Kinder von ihm bekommen …
    Im selben Jahr erschienen zudem zwei verschiedene „Greatest Hits“-Alben – eines bei United Artists und das andere bei Blue Thumb – und ein weiteres