Tina und Tini 09 - Geisterstimmen im Park
Erstens war ihnen die Mühe zu groß erschienen, bei der Hitze Material herbeizuschaffen und mehrmals am Tag den langen Weg stromaufwärts zu paddeln. Und zweitens wußte man ja nicht, wer der Urheber des unsichtbaren Landeplatzes war, der die Leiter an den Baum gelehnt hatte. Vielleicht würde er zurückkehren und sie aus ihrem Versteck vertreiben. Möglicherweise handelte es sich um einen Jäger, der Jagd auf Wasservögel machte und den Baum als Hochsitz benutzte.
Es genügte, wenn sie hin und wieder zu ihrem Geheimplatz zurückkehrten, wenn sie gerade Lust darauf verspürten. Außerdem — die Ferien begannen ja erst, und es gab noch so viel zu unternehmen!
Zum Beispiel einen Besuch bei der netten Frau Neumann nebenan. Sie hatten sie noch gar nicht begrüßt, und Flocki , ihr kleiner Spaniel, würde sich sicher auch über einen Besuch seiner jungen Freunde freuen.
So klingelten sie denn am späten Nachmittag am Tor des Nachbargrundstücks.
Frau Neumann hatte sie bereits vom Fenster aus gesehen und kam ihnen bis zum Tor entgegen. Flocki sprang ihr kläffend voraus. Die alte Dame strahlte, als sie die Kinder begrüßte.
„Ich fürchtete schon, ihr hättet mich ganz vergessen“, meinte sie lachend und schloß jeden von ihnen in die Arme. „Wie schön, euch wiederzusehen!“
„Wir haben gestern schon einmal geklingelt, aber da waren Sie gerade ausgegangen“, entschuldigte sich Tina. „Hier, bitteschön, den haben wir für Sie gepflückt.“
Tina überreichte der alten Dame einen großen Feldblumenstrauß, der in allen Farben leuchtete.
„Wie herrlich! Ich will ihn gleich in die Vase stellen. Aber nun kommt herein, ich habe mich schon auf euren Besuch vorbereitet. Wollen wir uns auf die Veranda setzen?“
„Ja, gern. Können wir etwas helfen?“ fragte Tina artig.
„Nein, nein, danke — macht es euch nur bequem, ich bin gleich wieder da. Ich hoffe, ihr habt ein bißchen Appetit mitgebracht?“
„Und ob!“ sagten alle drei wie aus einem Munde.
„Fein.“ Frau Neumann lächelte verschmitzt. „Ich werde euch nicht enttäuschen.“
„Merkwürdig — jetzt habe ich wieder dieses komische Gefühl im Magen“, murmelte Tobbi grinsend, als Frau Neumann ins Haus gegangen war.
„Nicht möglich!“ Tina sah ihren Bruder kopfschüttelnd an. „Ich glaube, du mußt zum Arzt.“
„Das fürchte ich auch“, meinte Tini lachend. „ Flocki , komm Flocki , kennst du mich nicht mehr? Komm auf meinen Schoß, hopp! Ja, so ist es brav!“
„Die sind wir los.“ Tobbi beobachtete, wie Tini den inzwischen zu einem kräftigen Hund herangewachsenen Spaniel mit Zärtlichkeiten überschüttete. „Findest du nicht, daß er schon ein bißchen zu groß für einen Schoßhund ist?“
„Davon verstehst du nichts. Nicht wahr, Flocki ? Keiner versteht, daß du die große Liebe meines Lebens bist! Ich wünschte, ich könnte ihn behalten!“
„Der Ärmste! Das Leben im Landschulheim muß für einen Hund doch eine Qual sein — oder willst du ihn das ganze Jahr bei deiner Mutter lassen? Dann hast du auch nichts von ihm. Gedulde dich lieber noch ein paar Jahre, dann kannst du einen eigenen Hund haben“, redete Tina der Freundin zu.
„Ach, du bist wieder so schrecklich vernünftig!“ Tini seufzte tief. „Aber ich weiß ja, daß du recht hast.“
„Achtung!“ flüsterte Tobbi. „Es geht los! Ich ahne ungeheure Dinge!“
Tobbi hatte recht. Frau Neumann erschien mit einem randvoll bepackten Tablett, in dessen Mitte eine herrliche Erdbeertorte thronte. Daneben standen Schüsseln mit Schlagsahne und Vanille-Eis und eine große Kanne kalter Kakao.
„Wie wäre es mit etwas Eisschokolade?“ fragte Frau Neumann lächelnd.
„Phänomenal!“ stöhnte Tobbi. „Absolute Spitze die Torte, eine Erdbeertorte mit so vielen Früchten und so dünnem Teig habe ich noch nie in meinem Leben gesehen!“
„Hm! Höchstens davon geträumt!“ bestätigte seine Schwester. „Ein Märchen!“
„Himmlisch!“ schwärmte auch Tini. „Und die haben Sie extra für uns gebacken?“
„Aber sicher! Freut mich, daß ich euren Geschmack getroffen habe.“
Frau Neumann ließ Kugeln von Vanille-Eis in die bereitgestellten Becher gleiten und goß den kühlen Kakao darüber. Dann krönte sie das Getränk mit einer Haube von Schlagsahne. Tina schnitt inzwischen andächtig die Torte an und verteilte große Stücke davon auf die Teller.
„Sie haben nicht zufällig heute Geburtstag oder so etwas?“ fragte sie plötzlich
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