Tina und Tini 11 - Tina und Tina und der unheimliche Strandwaechter
großer, vierschrötiger Mann.
„Ja, so ist das!“, sagte er lachend. „Wer hätte das gedacht! Habt ihr gehört, Leute? Sie hat die Männer von der Schwarzen Möwe gesehen! Das ist schon lange keiner mehr passiert!“
„Der Schwarzen Möwe ?“, fragte Tina neugierig. „Ist das ein Schiff?“
„Es war ein Schiff, ein wunderschönes sogar! Ein Dreimaster, kohlrabenschwarz mit blutroten Segeln! Hast du noch nie davon gehört?“ Der Maurer senkte seine Stimme. „Es ist ein Geisterschiff. Untergegangen, verstehst du, mit Mann und Maus. Jetzt liegt es seit bald zweihundert Jahren auf dem Meeresgrund. Aber manchmal leuchtet nachts ein geheimnisvolles Licht über dem Meer auf. Dann steigen die Männer der Schwarzen Möwe aus dem Meer herauf und suchen nach den Mädchen und Frauen, die sie einst geliebt haben. Sie gehen hierhin und dahin, irren umher und verschwinden vor Sonnenaufgang wieder in den Wellen!“
„Unsinn!“, sagte Tina. „So was gibt’s doch gar nicht!“
„So was gibt’s nicht?“ Der Klempner sah Tina entrüstet an. „Und ob es so was gibt! Da kannst du jeden hier fragen! Meine Mutter, als sie ein junges Mädchen war, so wie du jetzt, ist viele Wochen lang Nacht für Nacht einem von den Seemännern begegnet. Er kam durch die Wand in ihr Zimmer, stand vor ihrem Bett und sah sie so traurig an, dass ihr jedes Mal ganz weh ums Herz wurde. Und immer, wenn sie ihre Hand nach ihm ausstreckte, war er verschwunden. Und das ging viele Wochen lang! Sie wurde ganz schwermütig, denn es war ein sehr hübscher junger Seemann, das kannst du mir glauben!“
„Und wie ging die Geschichte weiter?“
„Sie lernte meinen Vater kennen. Von da an kam er nicht mehr. Sie kommen immer nur zu jungen, unschuldigen Mädchen, die ihr Herz noch nicht vergeben haben.“
„Eine tolle Geschichte!“ Tina lachte. Aber ein bisschen unsicher war sie doch geworden. „Also, seien Sie mir bitte nicht böse, so richtig glauben kann ich sie trotzdem nicht. Sicher, man hört manchmal von Geistererscheinungen. Aber meistens ist das alles nur Schwindel.“
„Das denkst du. Aber warte nur ab...“
„Tun Sie nicht so geheimnisvoll! Sie wollen mir nur Angst machen. Wenn es hier wirklich Geister gäbe, müsste Tante Ella das doch wissen. Sie hat uns nie etwas davon erzählt!“
„Kein Wunder, sie ist alt und schwerhörig“, sagte der Maurer abfällig. „Die Männer von der Schwarzen Möwe erscheinen nur jungen, hübschen Mädchen!“
Tina sagte nichts mehr. Sie hatte es auf einmal sehr eilig, zu den beiden anderen zurückzukommen. Noch war sie sich nicht klar, was sie von der Geschichte halten sollte. Auf jeden Fall musste sie die Neuigkeit sofort loswerden.
Tini und Tobbi waren gerade dabei, die Fußleisten von den Wänden zu lösen. Die mussten auch gestrichen werden. Bis das Zimmer tapeziert war, konnten Fenster, Tür und Leisten in einem Nebenraum trocknen. Nur gut, dass das Wetter so mild und trocken war. Nachts kühlte es zwar stark ab, aber tagsüber wärmte die Sonne noch fast so stark wie im Sommer.
„Wie wäre es, sollen wir die Wände der Koje in einem kräftigen Orange streichen?“, schlug Tobbi vor. „Das müsste gut zu der Tapete passen und würde dem Ganzen noch mehr Pfiff geben.“
„Daran habe ich auch schon gedacht. Vor allem, weil ich meine Fotos über dem Bett aufhängen möchte. Ein einfarbiger Hintergrund bringt sie besser zur Geltung. He, was ist denn in dich gefahren!“, wandte sie sich an Tina, die die Tür stürmisch aufgerissen hatte und atemlos hereinstürzte.
„Glaubt ihr an Geister?“, platzte Tina ohne weitere Vorrede heraus.
„Wie zum Teufel kommst du jetzt darauf?“, sagte Tini kopfschüttelnd.
„Beantworte meine Frage! Glaubst du an Geister?“
„Nein, nicht bevor ich mit eigenen Augen einen Geist gesehen habe.“
„Du hast. Sogar ein ganzes Dutzend oder mehr.“
„Spinnst du?“
„Keineswegs. Man hat mich gerade davon unterrichtet“, erklärte Tina in lehrerhaftem Ton. „Nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hatten, haben mich die Handwerker aufgeklärt, dass es sich bei dem nächtlichen Aufmarsch, der uns so beschäftigt, um eine Geistererscheinung handelt.“
„Um eine Geistererscheinung?“, fragten Tini und Tobbi wie aus einem Mund.
„Ja. Und zwar um die Männer der Schwarzen Möwe, die Besatzung eines Segelschiffes, das vor fast zweihundert Jahren untergegangen ist. Angeblich begegnen sie nur unschuldigen, hübschen jungen Mädchen. Tobbi wird
Weitere Kostenlose Bücher