Tina und Tini überlisten den Meisterdieb
sich bei dieser Dame um eine milliardenschwere Texanerin, die in Madeira zugestiegen ist. Sie reist inkognito, aber man hat meinem Mann einen Wink gegeben. Sie ist wohl ein wenig eigenartig. Eigentlich wollte sie die Reise schon von Beginn an mitmachen, hat dann aber einen längeren Aufenthalt auf Madeira vorgezogen.“
Klirr! machte es.
Madame Yvonne war die Kaffeetasse aus der Hand gefallen. Starr vor Staunen saß sie mit offenem Mund da und schaute ungläubig auf die Amerikaner. Dann fing sie sich wieder.
„Oh, es ist mir entsetzlich peinlich, entschuldigen Sie bitte! Wie ungeschickt von mir!“
Der Steward war bereits dabei, den Schaden zu beheben. Madame Yvonne versuchte mit doppelt charmantem Geplauder ihr Mißgeschick vergessen zu lassen.
Tina, Tini und Tobbi konnten kaum erwarten, wieder unter sich zu sein. Als sie oben auf dem Sonnendeck an ihrem Lieblingsplatz standen, flüsterten alle drei auf einmal los.
„Hast du das gesehen?“
„Sie ist fast vom Stuhl gefallen vor Schreck!“
„Jetzt ist es sonnenklar: ,Puppengesicht’ hat Großmutter mit der Milliardärin verwechselt, wahrscheinlich hatte er nur ungenaue Informationen. Also hat auch Madame Yvonne das falsche Opfer aufs Korn genommen!“ Tobbi rieb sich zufrieden die Hände und kicherte. „Wenn ich denke, was sie für das Mittagessen in dem vornehmen Hotel bezahlt hat! Sie muß sich grün und blau ärgern! Außer Spesen nichts gewesen!“
„Jetzt müssen wir unbedingt herausfinden, was in dem Päckchen war. Das ist mir bisher noch das größte Rätsel!“
„Nun, jedenfalls wissen wir nun, daß wir auf der richtigen Spur sind“, sagte Tini zufrieden. „Es war also doch nicht nur reine Phantasie.“
„Sollten wir deinem Vater nicht von unseren Beobachtungen erzählen?“ meinte Tina.
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber wenn ich ehrlich sein soll — ich habe große Lust, erst ganz hinter das Geheimnis von ,Puppengesicht’ und Madame Yvonne zu kommen.“
Tobbi grinste breit. „Glaubst du, wir nicht? Den Fall lösen wir alleine, das schaffen wir schon!“ sagte er zuversichtlich.
Aber schon am Abend trat etwas ein, was all ihre Theorien über den Haufen warf. Madame Yvonne wurde ein wertvolles Armband gestohlen! Tina, Tini und Tobbi hatten sich gerade zum Abendessen im Salon des Kapitäns eingefunden, als Madame Yvonne völlig aufgelöst vor Empörung und Kummer erschien und den Kapitän zu sprechen verlangte.
„Entsetzlich! Ein solcher Verlust! Zehntausend Franc hat mein armer Henri dafür bezahlt!“ jammerte sie. „Daß mir das passieren mußte — jeden Tag habe ich meine Schmuck-Kassette im Tresor einschließen lassen, nur dieses Armband wollte ich heute abend tragen und behielt es zurück. Welch ein Unglück!“
Sie war nahe daran, in Tränen auszubrechen.
Kapitän Paulsen hörte sich ihren Wortschwall schweigend an. „Ich werde sofort eine Untersuchung des Falles anordnen, Madame. Seien Sie versichert, daß von unserer Seite alles getan wird, um den Dieb zu finden und Ihnen Ihr Eigentum zurückzugeben. Aber sind Sie ganz sicher, daß Sie das Armband nicht verlegt oder verloren haben?“
„Aber, Herr Kapitän, ich bitte Sie!“ empörte sich Madame Yvonne. „Ich habe meine Kabine für etwa eine Viertelstunde verlassen, als ich Mrs. Henford — Ihrer reizenden Passagierin aus Texas— Tabletten gegen ihre rheumatischen Schmerzen brachte, ein besonderes Mittel, wissen Sie, Mrs. Henford kannte es noch nicht. Wir unterhielten uns eine Weile in ihrer Kabine über ihre Beschwerden. Als ich zurückkam, war das Armband von meinem Nachttisch verschwunden.“
Kapitän Paulsen wollte etwas sagen, aber Madame Yvonne ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Hören Sie, Kapitän“, fuhr sie mit ihrem altbewährten Charme fort, „ich weiß, daß es meine Schuld ist. Es war eine grobe Unachtsamkeit von mir, und ich möchte nicht, daß Sie meinetwegen die reizende Atmosphäre an Bord durch polizeiliche Untersuchungen und Verdächtigungen zerstören! Vielleicht genügt der Hinweis an Ihre Passagiere, sie möchten auf jeden Fall ihre Wertsachen im Tresor deponieren. Ich selbst stehe Ihnen zu einer Untersuchung selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Auch meine Kabine!“
„Mir ist das Ganze unerklärlich“, seufzte Kapitän Paulsen. „Ich habe noch auf keinem meiner Schiffe einen solchen Fall erlebt. Die polizeiliche Untersuchung in Madeira hat nicht den kleinsten Anhaltspunkt ergeben. Wir stehen vor einem
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