Tinnef
Bronstein plötzlich.
Hektisch sah Pokorny auf seinen Sitzplatz. „Der Sessel? Was ist damit? Bricht er unter mir zusammen oder was?“
„Nicht deiner, der vom Mészáros!“
„Ah so“, in Pokorny kehrte wieder Ruhe ein.
„Verstehst du nicht, Pokorny? Der Sessel vom Mészáros!“
„Ja, der vom Mészáros. Und? Was soll damit sein?“
„Laut Bericht ist der nach vorn umgefallen.“
Erneut zuckte Pokorny mit den Schultern: „Und? Das ist so üblich bei Leuten, die sich den Strick geben. Die steigen auf den Sessel, ziehen das Seil straff, dann treten s’ den Stuhl weg, und Feierabend.“
„Ja“, sagte Bronstein, und dabei lauerten seine Augen auf Pokornys nächste Reaktion, „aber wie fällt ein Stuhl, der von so einem Selbstmörder umgestoßen wird?“
„Ich habe das Gefühl, ich werd’s gleich erfahren.“
„Er fällt nach hinten, Pokorny. Nach hinten! Der Selbstmörder tritt gegen die Stuhllehne, damit das Möbel umkippt. Selbst wenn er springen sollte, baumeln die Beine automatisch nach hinten aus und werfen so den Stuhl um. Anders kann der gar nicht fallen, weil ja die Beine des Sterbenden im Weg sind. Wie man es auch dreht und wendet, die Lehne des Stuhls müsste Richtung Fenster weisen. Am Tatort wies sie aber genau in die entgegengesetzte Richtung.“
„Aha. Und was folgt daraus?“
„Dass der Mann doch ermordet wurde“, triumphierte Bronstein.
„Na, ich weiß nicht. Ist das sicher?“
Bronstein war von Pokornys Skepsis reichlich irritiert. „Was soll das heißen: Ist das sicher?“
„Ich mein’“, fuhr Pokorny fort, „vielleicht kann der Sessel auch bei Selbstmord nach vorn fallen.“
„Und wie, bitte, soll das gehen? Da sind doch die Füß im Weg, und der Körper ist viel schwerer als der Sessel, also wird Letzterer Ersterem ausweichen und nicht umgekehrt.“
„Ja, aber wenn“, und dabei hob Pokorny mahnend den Zeigefinger, „den jetzt tatsächlich jemand g’macht haben sollte, stünde der doch vor demselben Problem. Auch ein Mörder könnte den Sessel nicht so in Position bringen, eben wegen der Beine, wie wir gerade konstatiert haben.“
Bronstein gab zu, dieser Einwand war nicht sogleich von der Hand zu weisen, sondern brauchte ein wenig Überlegung. Er lehnte sich zurück und faltete die Hände, diese gleichzeitig unter seine Nase führend.
„Ich stelle mir das so vor“, sagte er nach einer Weile, „der Mészáros hat einen Gschamsterer.“
„Ist also ein Warmer …“
„Pokorny, bitte, keine Despektierlichkeiten jetzt. Hör einfach nur zu. … Also, der hat ein Verhältnis mit einem anderen Mann. Und irgendetwas passiert, was diese Beziehung gefährdet. Es kommt zu einem Streit. Möglicherweise droht Mészáros dem anderen, sie beide in den Abgrund zu reißen, wenn der andere nicht spurt. Wer weiß, vielleicht wollt der den Mészáros verlassen. Jedenfalls gehen die beiden im Zorn auseinander. Der Mészáros kriegt Reuegefühle, oder er erkennt, dass er den … Geliebten so oder so nicht wird halten können …, jedenfalls sieht er keinen Sinn mehr in seinem Leben und will sich tatsächlich umbringen …“
„Also doch!“
„Pokorny! Eine Ruh ist, ich muss mich konzentrieren. … Also, dass der Mészáros sich ohnehin heimdrehen will, kann der andere aber nicht wissen. Der hat eine mörderische … ja, buchstäblich … Angst, dass der Mészáros plaudert. Und darum will er ihn mundtot machen, indem er ihn … ganz tot macht. Der also hin zum Mészáros. Dort findet er diesen prak tischerweise bereits auf einem Stuhl mit einem Strick um den Hals. Er braucht dem Mészáros also nur noch den letzten Kick zu geben, und der ist Geschichte … Dann, als er vielleicht schon gehen will, fällt ihm der Sessel auf, und er denkt sich, bei einem Selbstmord kann der nicht stehen bleiben. Also wirft er ihn um. Einfach so. Wir haben es hier also mit einem Mörder zu tun, der sich selbst verraten hat, weil er zu perfekt sein wollte.“
Bronstein lächelte und wartete auf Pokornys Beifall. Der jedoch blieb aus.
„Nehmen wir für einen Moment einmal an, es wäre so gewesen. Was wissen wir dann sonst noch? Nichts! Wer soll denn dieser warme Bruder sein, der den anderen Warmen kaltgemacht hat?“
„Da hab ich schon eine ziemlich klare Vorstellung“, entgegnete Bronstein, immer noch lächelnd. „Der Baumgarten!“
„Jetzt aber Schluss! Das ist doch absurd! Wieso soll ein Mitglied des Adels so ein armes Würschtl abkrageln?“
„Genau deshalb“, ließ
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